Tagebuch Reise von Pelotas nach Buenos Aires

Am 11. Oktober ging es per Flugzeug via Amsterdam wieder nach Sao Paulo und von dort weiter über Curitiba nach Porto Alegre. Leider hatte ich nur eine Verbindung bekommen, bei der ich die Nacht vom 11. zum 12. Oktober auf dem Flughafen von Curitiba verbringen musste. Bis 3 Uhr morgens sorgte eine Gruppe Jugendlicher, die in der Flughafen Halle an Klavier und Gitarre Musik machten für Unterhaltung. Das Klavier steht dort zur freien Verfügung für jeden, der sich berufen fühlt es zu benutzen. Von 3 bis 6 Uhr wurde die Sache dann aber doch ermüdend, zumal es nirgends einen guten Platz zum Liegen gab. Nach Weiter-Flug und Busfahrt kam ich dann gegen 13 Uhr in Pelotas an. Pünktlich zum „Almoça“ (Mittagessen). Die Taxifahrt in Porto Alegre zum Busbahnhof war wie schon beim letzten Mal halsbrecherisch in agressivem Fahrstil. Das scheint dort normal zu sein.

12.10.- 20.10. 2012

Der erste Einduck bei Ankunft ist schon mal gut: Das Achterdeck ist tatsächlich mit rutschfester Farbe nachgestrichen worden und alles ist an Deck blitzsauber. Unter Deck ist naturgemäß alles ein bisschen muffig und an diversen Stellen haben die Wände doch wieder Stockflecken angesetzt. Aber das ist alles mit ein wenig Durchlüften und gründlich Saubermachen zu beheben. Auch die Maschine läßt sich nach anfänglichen Schwierigkeiten wieder starten. Fazit also erst mal: Gute Laune zum Start.


Talentschuppen“ in der Flughafenhalle von Curitiba. Das Schild auf dem Klavier fordert alle die des Klavierspielens mächtig sind auf, ihr Talent hier zu zeigen.


Curitiba Airport - ganz im Zeichen des Sports



Gute Laune zum Start!

Der von Ari bereits angekündigte Neubau ist auch bereits in Arbeit. Die achtere Hälfte liegt - beeindruckend groß - noch kopfüber in der Halle. Wenn das Schiff mal fertig ist, wird es als gut 20m langes Versorgungsboot für die brasilianische Ölgesellschaft „Petrobras“ fahren.







Leider ist auf den zweiten Blick aber doch noch nicht alles fertig, was eigentlich fertig sein sollte: Das Pendelruder für die Windsteueranlage muss noch gestrichen werden und die Steckschotten sind vergessen worden. Aber das wird schon noch klappen.

Als neues Problem funktioniert nun das Echolot nicht mehr. Erst nach ein paar Tagen nimmt es den Dienst ohne erkennbaren Grund wieder auf. Alles in allem also nicht unbedingt Vertrauen erweckend. Nach intensivem mail Kontakt mit Hans, der am 4.11. in Buenos Aires zusteigen will, findet sich eine Möglichkeit ein kompatibles Ersatz Instrument zu beschaffen, das Hans dann mitbringen will. Einstweilen lege ich mir aber trotzdem für den Notfall mein Handlot griffbereit zurecht...


Handlot griffbereit auf Rolle... Falls das Echolot doch wieder ausfällt.


Der Neubau bekommt schon mal Rollen unter geschweißt, damit man ihn aus der Halle rollen und später richtig herum drehen kann



Alles in Allem werden die verbliebenen Arbeiten zügig fertig und Ari nebst Team sind wieder einmalig hilfreich. Auch die Abwicklung der Zollformalitäten am Schluß wäre ohne ihn wohl kaum zu bewerkstelligen gewesen. - Wir sitzen über eine Stunde im Büro der Receita Federal und die Beamten schauen sich auch an Bord noch mal um, - ob auch keine wesentliche Ausrüstung entfernt (respektive in Brasilien dauerhaft importiert-) wurde und ob die angegebenen Arbeiten auch tatsächlich durchgeführt wurden. - Der zollfrei verlängerte Aufenthalt des Schiffes von max. 2 Jahren war nämlich an die Durchführung von Wartungsarbeiten durch eine einheimische Firma gebunden.

Was mir nebenbei in diesen Tagen so auffällt: Der Straßenverkehr ist in den letzten Monaten (wohl auf Grund verstärkter Polizei Kontrollen) etwas disziplinierter geworden: Die Autos halten tatsächlich für Fußgänger an Zebrastreifen an! Noch im April wäre das Einfordern des formal bestehenden Vorrechts an Zebrastreifen definitiv eher etwas für Leute mit Hang zur Selbstverstümmelung gewesen.

Sonntag 21.10.

Gleich früh morgens so gegen 7 Uhr lege ich ab, um schon mal nach Rio Grande am Ausgang des Lagoa dos Patos zu fahren. Dort sind am Montag dann auch noch Ausreiseformalitäten bei Policia Federal und Capitania dos Portos zu erledigen. Die Fahrt von ca. 25sm verläuft mangels Wind unter Motor und ohne weitere Zwischenfälle. -Bis auf ein kurzes Festkommen in der Baggerrinne direkt vor Rio Grande. Hier stehen die grünen Fahrwassertonnen offenbar schon im flachen Wasser und man muss ein gutes Stück Abstand von ihnen halten.

Der Yachtclub v on Rio Grande macht einen recht noblen Eindruck und bietet mir noch mal eine richtig gute Dusche sowie Internet Zugang via WIFI. Für die Erkundung in der Stadt packe ich noch mal das Fahrrad aus, was mir gute Dienste auch für die Fahrt zu den beiden Behörden leistet. Allerdings wird man schon gut durchgeschüttelt: Die meisten Straßen haben grobes Kopfstein- Pflaster.

22.10. - 23.10.: Erst flottes Segeln, dann Sturm

Die Ausreiseformalitäten verlaufen problemlos und flott. In der Policia Federal spricht der Beamte sogar mal Englisch! Nachdem ich noch ein paar frische Lebensmittel eingekauft habe, geht es gegen 11 Uhr los. Zunächst quäle ich mich unter Motor gegen kräftigen Ostwind das kurze Stück bis zum Ausgang des alten Hafens. Danach wird es unter Segeln flott. Bald setzt kräftiger Regen, durchsetzt mit Gewittern ein. Die Sicht ist teilweise miserabel und ich benutze zur Sicherheit auch das Radar.

Nach dem Passieren der Molenköpfe von Rio Grande (rund 10sm vom alten Hafen) setze ich auch das Großsegel und komme von da an bis in die Nacht auch sehr gut voran: Spitzengeschwindigkeit 9,4 kn, - im Schnitt 7 kn. In der Nacht brist es zügig weiter auf und ich reffe zwei mal beide Segel, bis ich schließlich gegen 2 Uhr morgens die Genua ganz weg rolle und von da an wird es richtig unangenehm. Die Seekrankheit hat mich übel erwischt und ich fühle mich schwach und apathisch. Kurze Zeit nach dem Einrollen der Genua hat diese sich im oberen Teil ein Stück geöffnet und knattert jetzt im Wind. Ich rolle noch mal ein Stück aus, um glatt wieder einzurollen was auch zunächst gut aussieht aber schon wenige Minuten später ist es wieder das Gleiche. Jetzt geht auch das Ausrollen nicht mehr. Also muss ich im Licht des Deckscheinwerfers nach vorne um die Ursache zu suchen. Ich finde in sich vertörnte Vorschoten, die ich ganz ausfädeln und mehrfach um das Vorstag törnen muss. Das Alles wird in meinem geschwächten Zustand mechanisch und wie in Zeitlupe erledigt. Der Wind heult inzwischen mit wohl 9 Bft und die Wellen sind gut 4m hoch. Ich bekomme die Genua zwar noch einmal aus- und wieder ein-gerollt, jedoch holt sich der Sturm auch diesmal wieder nach kurzer Zeit eine Ecke heraus. Völlig erschöpft verwerfe ich den Gedanken, die Genua komplett zu bergen schnell wieder. Ich würde das im Wasser landende Tuch wohl allein und in meinem Zustand nicht bändigen können. Mir ist schon klar, dass ich das Vorsegel auf diese Weise wohl opfern würde, denn sehr lange hält ein Segel sowas nicht aus. Aber ich sehe keine Alternative und ignoriere den knatternden “Beutel”. Im Morgengrauen finde ich meine Erwartung bestätigt: Jetzt knattern da oben schon die ersten Tuchstreifen und Fäden im Wind. Inzwischen sind wir bei geschätzt 10 Bft, in Böen vielleicht auch 11. Schwer zu schätzen... - Seegang locker 5 m. Die Situation bleibt den ganzen Dienstag über unverändert. In der Kabine sieht es aus wie auf einem Schlachtfeld. Zum Einen habe ich die Sturmsegel und eine Ersatz Genua aus den Stauräumen gezerrt, aber irgendwie nicht die Energie gehabt sie oben anzuschlagen. Zum Anderen haben die Schiffsbewegungen so Einiges aus den Regalen fliegen lassen was jetzt als buntes Sammelsurium auf dem Boden verstreut liegt. Die Krönung des Ganzen ist ein Topf mit einem Rest Erbseneintopf, den ein harter Brecher aus der Halterung vom Herd springen und anschließend quer durch die Kabine fliegen läßt. Letzteres wische ich noch notdürftig auf, der Rest bleibt eben liegen. Dienstag abend ist es eher noch ein bisschen schlimmer und ich beschließe auch das Großsegel ganz zu bergen, um das nicht auch noch zu gefährden. Es hat alleine ohne ein Vorsegel ohnehin kaum Fahrt gebracht und das Schiff liegt ohne Segel vor Top und Takel bei diesem Sturm sogar etwas ruhiger. Der Winddruck allein im Mast reicht schon aus, um etwas Krängung und ausreichend Ausweich-Drift vor den Wellen nach Lee zu erzeugen. Ich schlafe die ganze Nacht auf dem treibenden Schiff mit dem knatternden Vorsegelteil und vertreibe in rund 10h gut 40sm vom Kurs nach NE!



Mittwoch, 24.10.

Am nächsten Morgen ist es ein klein wenig ruhiger – 7-8Bft. Irgendwelche Brecher haben in der Nacht das Gurtband mit dem die Sprayhood befestigt war komplett abgerissen und die halbkardanisch aufgehängte Radarantenne in vertikaler Stellung verklemmt. Da war dann wohl mit abnehmendem Wind die Lee Drift ohne Stützsegel doch zu gering geworden. Die Pütz, die sonst immer an der Reling auf dem Seitendeck festgemacht ist hat sich die See dann auch noch gepflückt: Nur noch der Haltebügel des Eimers hängt traurig in der Leine, die Pütz selbst sehe ich noch achtern abtreiben, aber an ein Rettungsmanöver ist nicht zu denken.

In einer rund 3 stündigen Aktion schaffe ich es das Trysegel, sowie eine Sturmfock anzuschlagen und zu setzen, sodass wir wieder langsam Fahrt Richtung Süden aufnehmen können. Bald flaut der Wind weiter bis auf 5 Bft ab und der Tag wird sonnig. Gegen Nachmittag tausche ich dann das Trysegel gegen das Groß. Für die große Rollgenua will ich lieber noch warten bis es noch ruhiger ist. Diese Art Segel sind alleine doch schwer zu setzen, weil man eigentlich einen zweiten Mann vorne zum Einfädeln braucht. Die kleine Roll-Genua – oder vielmehr das was davon noch übrig ist habe ich aber bereits geborgen.

Donnerstag 25. 10.

Da der Wind aus SW kommt, bin ich gezwungen SSE Kurs zu segeln. Zusammen mit dem Vertreiben während des Sturms werden so gut und gern 200sm mehr als geplant zu segeln sein!

Alarmiert nehme ich nach dem Kochen von Tee Gasgeruch wahr und finde die Ursache schließlich in einem angerissenen Schlauch hinter dem Herd. Wahrscheinlich ist der Herd im Sturm irgendwann über seine Begrenzung geschwungen und hat dabei den Schlauch angerissen.Natürlich hätte ich den Herd fest stellen sollen, aber daran habe ich überhaupt nicht mehr gedacht. - Eigentlich sollte auch der Schlauch von vorn herein lang genug für solche Extremschwingungen sein. Nach einigem Überlegen beschließe ich am Ende den Schlauch provisorisch zu flicken um während der kommenden Tage wenigstens mal einen Tee oder eine kleine Mahlzeit zubereiten zu können. Die meiste Zeit wird das Hauptventil aber geschlossen bleiben und sobald möglich muss der Schlauch dann ersetzt werden. Außerdem stelle ich den Herd fest, damit er nicht mehr schwingen kann.

Gegen Abend beginnt der Wind langsam einzuschlafen und ich nutze diese Gelegenheit, endlich die Sturmfock gegen die große Genua zu wechseln. Nach ungefähr 1 h schweißtreibender Arbeit auf dem schwankenden Schiff ist das erledigt und ohne weitere Schäden an dieser Genua abgelaufen.



Jedoch gibt es Ungemach von anderer Seite. Gerade als ich mich gegen den Heckkorb lehne, um das Pendelruder der Selbststeueranlage hoch zu klappen, bricht der Heckkorb unter mir weg! Nachdem ich mich mühsam an Deck gehalten hatte und nicht ins Wasser gepurzelt war musste ich feststellen, dass der Radarmast ohne den Halt durch die mittlere Stütze des Heckkorbs bedenklich schwankte! Die Schweißnaht am Fuß der Stütze war glatt gerissen. Vermutlich durch das Zusammenspiel von Korrosion und der mechanischen Belastung der letzten Tage. Eiligst mache ich daran, den Heckkorb und Radarmast mit einem Spinnennetz aus Leinen zu laschen und denke zum Schluß mit Bangen: Hoffentlich wird das ein paar Tage halten und hoffentlich kommt nicht noch ein Sturm!

Heute scheint irgendwie alles kaputt zu gehen, denn das nächste Problem folgt gleich auf dem Fuße: Nachdem der Wind schließlich ganz weg ist würde ich gerne die Maschine starten, um in der Flautenzeit ein Stück voran zu kommen, aber die Maschine bleibt stumm. Kein Ton kommt von der Motorelektrik. Aufschrauben des Kontrollpanels offenbart sogleich das Problem: Die Platine ist nass geworden und ein korrodierter Kontakt ist abgebrochen. Ich will versuchen das noch vor Dunkelheit wieder anzulöten, muss aber schließlich entnervt aufgeben weil beide Lötkolben an Bord nicht funktionieren: Der Gas Lötkolben von Ersa glüht zwar freundlich vor sich hin, aber an der Spitze kommt einfach nicht genug Hitze an, um auch nur ein Tröpfchen Lötzinn zu verflüssigen. Der elektrische Lötkolben wiederum bekommt für seine Arbeit keinen Strom, weil der Inverter von 12 auf 220V neuerdings offenbar bei Leistungen oberhalb weniger Watt abschaltet.

Ich gebe für heute auf und berge die Segel komplett nachdem der Wind ganz weg ist. Gestoppt schaukelt das Schiff in der alten Dünung beträchtlich, aber ich kann es nicht ändern und lege mich schlafen. Jedoch ist der Schlaf unruhig, weil mir die ganze Zeit 2 Fragen durch den Kpf gehen:

  1. Wie soll ich bloß den Kontakt ohne zu löten wieder an die Platine bringen?

  2. Wird die provisorische Sicherung des Heckkorbs den Bewegungen stand halten?

Gegen 1 Uhr kommt tatsächlich der vom Wetterbericht angekündigte nördliche Wind auf, und ich setze Segel. Neben der Tatsache, dass wir nun wieder in die richtige Richtung voran kommen, hat das den Vorteil, dass auch die Bewegungen wieder ruhiger werden.

Freitag 26. 10.

Erst heute habe ich mich wohl wieder vollständig an die Schiffsbewegungen gewöhnt. Ich habe wieder Appetit und die dauernde bleierne Müdigkeit ist weg. So mag man auch wieder mehr als das absolut notwendige tun, und deshalb beginne ich den Tag mit der Zubereitung und dem genussvollen Verspeisen von Rührei. Dabei bekommt das wieder gewonnene positive Lebensgefühl aber auch gleich wieder einen Dämpfer: Wegen der nur provisorischen Reparatur des im Sturm angerissenen Gasschlauches darf der Kocher aus Sicherheitsgründen nicht mehr kardanisch schwingen und prompt entledigt sich der festgestellte Kocher in einem kurzen Moment der Unachtsamkeit seiner Pfannenlast wobei die Pfanne wiederum einen Teil ihres Inhaltes über meine Schuhe und den Teppich ergießt. - Den Teppich wird man wohl im nächsten Hafen mal nass abschrubben müssen.

Trotzdem – der Rest schmeckt immer noch gut. Zum Thema Gewöhnung muss allerdings gesagt werden, dass ich nach den heftigen letzten Tagen doch beschlossen habe, dass der gewünschte Grad an Abenteuer für mich hier bereits erreicht ist. Ich glaube ich werde bezüglich meiner Planung einen Rückzieher machen und die Magellan Straße lieber weg lassen.

Tagsüber führe ich diverse Wartungs und Aufräum Arbeiten durch und repariere ein paar Kleinigkeiten. U. A. kann ich auch die Platine des Motor Panels ohne Löten reparieren, indem ich die betroffenen Massekontakte extern auf einer Lüsterklemme zusammen führe.

Da die Stopfbuchse nun doch wieder leckt, ziehe ich sie eine halbe Umdrehung nach und siehe da: Nun ist sie perfekt dicht!. - Allerdings mit dem gravierenden Nachteil, dass die laufende Propellerwelle nun zu heiß wird! Wieder zurück drehen hilft da gar nichts, also kann ich nur hoffen, dass sich dass bei langsamer Drehzahl einläuft. Ständig die Temperatur (mit dem Finger) prüfend lasse ich die Maschine also mit ganz kleiner Leistung mit schieben. Und tatsächlich: Nach ein paar Stunden gibt sich das Problem zumindest soweit, dass es akzeptabel ist..

Abends begleiten mich für kurze Zeit ein paar Delphine.Die Luft ist schon den ganzen Nachmittag sehr feucht und da fühlen sich die 17° doppelt kühl an! Alles an Deck ist klitschnass, obwohl schon fast den ganzen Tag keine Gischt mehr an Bord gespritzt ist.

Samstag, 27. 10.

Ein Tag mit überwiegend schwachem Wind. Ich komme in den Bereich der Rio dela Plata Mündung. Hier gibt es jede Menge Seehunde. Den ganzen Tag und auch die Nacht prustet und schnauft es teilweise in unmittelbarer Nähe, wenn die neugierigen Tiere bei mir vorbei schauen.

Schon 15 sm vor der Küste von Punta del Este fallen allerdings plötzlich auch weniger beliebte Tiere ein: Scharen von Mücken. - Unangenehm und dazu noch überraschend so weit draußen.

Gleich zur Morgendämmerung stoße ich auf das nächste technische Problem: Die Motorkühlung fördert wieder kein Seewasser mehr. Es stellt sich heraus, dass das wohl immer dann auftritt, wenn der Filter am Einlass im Seegang mal leer gelaufen ist. Die Pumpe schafft es dann nicht mehr, das Wasser anzusaugen. Als Notlösung scheint es zu funktionieren wenn ich den Seewasserfilter von innen mit Wasser befülle, bevor die Maschine gestartet wird. Um das machen zu können, musste ich erst mal kräftig umräumen und damit noch mehr Chaos in der Kabine einführen: Das Fahrrad und die Werkzeugkoffer wandern in die Achterkabine. Nur so ist der Sewasserfilter erreichbar.

28.10. - 29.10.

Wie im Seehandbuch bereits angekündigt gibt es im Rio de la Plata häufig Nebel. Kein Wunder, denn das Wasser ist recht kalt und die Luft wird tagsüber sehr warm. In der Grenzschicht zwischen Wasser und Luft kondensiert dann die hohe Luftfeuchtigkeit häufig. Für mich bedeutet das zusammen mit der hohen Verkehrsdichte, dass ich nachts im Viertelstunden Rhytmus schlafe / wache. - Bereits nach kurzer Zeit ein zermürbender Rhytmus.

Auch die zweite Eigenart dieser Gewässer, die im Seehandbuch beschrieben ist, soll ich noch kennen lernen: Plötzlich auftretende lokale Stürme, sogenannte “Pamperos”. In der Nacht zum 29. kündigt sich Schlechtwetter bereits durch Wetterleuchten an und bald blitzt, donnert und regnet es nahezu ununterbrochen. Die Sicht ist im dichten Regen zeitweise praktisch 0.

Gegen Nachmittag brist es dann zum zweiten Mal auf dieser Reise so stark auf, dass ich wieder die Sturmsegel aufziehen muss.

Das erfolgt zwischen etlichen Frachtern, von denen die meisten auf Reede liegen, manche aber auch an meinem stampfenden Boot (mit dem schwer arbeitenden Verrückten auf dem Vordeck ;-) vorbei fahren.

Zunächst gibt es noch etwas Irritation, mit dem Trysegel, das ich eigentlich auf dem Vorwind Kurs gar nicht so recht gebrauchen kann. Nach kurzer Zeit berge ich es wieder und dann geht es allein mit der Sturmfock eigentlich recht gut voran. Auch die Tide schiebt inzwischen mit, was hier übrigens gut an den auf manchen Fahrwassertonnen angebrachten Pfeilen zu erkennen ist: Die Pfeile zeigen in Stromrichtung, weil die Tonnen unter Wasser angehängte Flossen besitzen, die dafür sorgen, dass die Tonnen sich im Strom ausrichten. Auch die Bezeichnung der Tonnen ist interessant: Nicht wie sonst üblich von See her aufsteigende ganze Zahlen (gerade an Bb, ungerade an Stb) sondern km Angaben die einem direkt sagen, wie weit es noch bis Buenos Aires ist.

Ich laufe gegen Abend ein, wobei wiederum die Kühlwasserzufuhr versagt. Dieses Mal hat auch das Füllen des Seewasserfilters vor dem Start zunächst nicht geholfen. Ich stelle mich also darauf ein unter Segeln in das Becken des Yachtclub Argentino einzulaufen und die Maschine nur ganz zum Schluss für's Festmachen zu haben. Leider meldet sich auf meinen Anruf über VHF niemand und als ich schließlich vor der Einfahrt bin, muss ich feststellen, dass es eine geschlossene gelbe Barriere gibt, die mir das Einlaufen verwehrt! Also weitersegeln unter Genua in den Industriehafen, um von dort aus vielleicht durch die Brücke -wenn sie denn göffnet wird in den anderen Yachthafen einzulaufen. Im Innenhafen ist der Wind dann natürlich fast abgedeckt und ich werfe die Maschine ohne Kühlung an, um irgendwo festzumachen. Aber wo? Nirgends sind Poller erreichbar oder überhaupt zu sehen und die Brücke öffnet natürlich nicht. Ich wähle mir ein vermeintlich unbenutzes Stück Spundwand aus, und steuere dieses hoffnungsfroh an, doch da kommt schon ein Hafenarbeiter um mich weg zu scheuchen und unversehens liegt dicht hinter mir eine große Schnellfähre, die mir lautstark signalisiert: “Achtung – ich werde Backbord drehen”.- Der Platz den ich verlassen wähnte ist just in diesem Moment für diese Fähre vorgesehen. Also tuckere ich dicht vor dem Bug der bereits zum Anlegen drehenden Fähre aus dem Weg und erwarte jetzt jeden Moment den Überhitzungs Alarm der Maschine. Hier habe ich jedoch mal Glück: Ein Blick zum Auspuff zeigt, dass die Kühlwasserversorgung inzwischen doch wieder funktioniert. Also kann ich in aller Ruhe weiter nach einem Plätzchen suchen. Irgendwie scheint es aber tatsächlich auch bei längerer Suche keines zu geben. Lediglich ein baufälliges Schleusentor aus Holz mit vorstehenden Schraubenbolzen käme evtl. In Frage. Entnervt und immer noch nass bis auf die Haut von Regen und Gischt, rufe ich noch mehrmals den Yachtclub an, erhalte aber keine Antwort. So mache ich schließlich erst Mal an dem alten Schleusentor fest und stapfe in meinen Gummistiefeln ins gegenüberliegende Fährbüro. Dort spricht ein Mitarbeiter tatsächlich englisch und ist bereit für mich mal per Telefon beim Yachtclub anzurufen. Auf diesem Weg kann die Verbindung schnell hergestellt werden: Ich soll noch mal vor die Einfahrt kommen und via Kanal 16 rufen. Das klappt dann auch tatsächlich: Die Barriere wird geöffnet und eine kleine Barkasse geleitet mich an einen Liegeplatz. Es gießt immer noch in Strömen und Strom für meine müden Bordbatterien gibt es diese Nacht mangels passendem Stecker auch noch nicht, aber ich bin froh angekommen zu sein und wechsele erst Mal die nassen Klamotten gegen Trockene.

Dienstag, 30.10.

Gleich Morgens auf dem Weg zur Dusche lerne ich Luis kennen, einen sehr netten Segellehrerder, der englisch spricht und sich hier natürlich gut auskennt. Wir plaudern ein bisschen, und er gibt mir ein paar Informationen, an wen ich mich wegen der Motorprobleme etc. wenden soll. In der Zeit bis zur Öffnung des Hafenbüros räume ich ein bisschen weiter auf und hänge nasse Klamotten und Segel zum Trocknen raus. Dann beginnt die Odyssee zum Einklarieren. Drei Behörden stehen mal wieder auf dem Plan. Zuerst geht es zur Einwanderungsbehörde: “Direccao de Migracoes”. - Eine riesige Halle mit buchstäblich kilometerlangen Warteschlangen! Alle Schilder ausschließlich spanisch und man weiß nicht, wohin man sich wenden soll. Ich frage am erst besten Schalterauf portugiesisch mit spanischen Einlagen, da niemand englisch spricht. Mein Pass wird entgegen genommen und nach Durchblättern wird mir erklärt, dass da ja kein Einreise Stempel drin ist und man daher nichts für mich tun könne! Ich gebe zurück, dass ich ja gerade gekommen bin, um den Einreisestempel hier zu bekommen! Nach einigem Hin – und Her führt eine nette junge Dame mich zu den “Inspectores” in einem anderen Gebäudeteil. Dort kann ich mit einem englisch sprechenden Beamten diskutieren, der mich zunächst nach San Fernando schicken will. Ich entgegne, dass es ja wohl möglich sein mus in der Hauptstadt die Einreiseformalitäten direkt zu erledigen. Schließlich kommt er mir dann doch entgegen, und nach einer Wartezeit und einigen Telefonaten seinerseits bekomme ich meinen Stempel im Pass und das Einreisedokument. Die weiteren Schritte bei Zoll und Küstenwache (“Prefectura de Naval”) verlaufen ohne größere Probleme, nehmen aber zusammen mit den Taxifahrten quer durch die Stadt praktisch den Rest des Tages in Anspruch. Immerhin komme ich doch noch dazu, im Yachtclub um Vermittlung eines Mechanikers für die Schweißarbeiten am Heckkorb und für die Motorprobleme zu bitten. Am nächsten Morgen will man mit Mechanikern telefonieren und einen Termin für mich ausmachen.

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