Reise mit der HEAVEN CAN WAIT von
Taipeh bis Phuket.

Die Anreise

Diese Geschichte fängt mit einem Inserat an, das für einen begeisterten Segler traumhaft klingt: Für eine Yachtüberführung von Taiwan zu den Seychellen wurden noch bezahlte Crewmitglieder gesucht.

Da ich mir ansonsten für das normalerweise in der Segelbranche anstehende Winterloch etwas anderes hätte suchen müssen, kam mir ein solches Angebot gerade recht.

So war ich auch sehr froh, als die Wahl des Skippers Gerd nach einem Vorstellungsgespräch im Juli auf mich gefallen war. Mein Anreisetermin war vorläufig auf Mitte November 91 festgelegt worden, wobei meine Freundin und ich hofften, daß unser Mitte Februar "auf Kiel gelegtes" Kind noch eben vorher das Licht der Welt erblicken würde.

Die Reise sollte dann spätestens bis Ende Januar dauern, was mir die Möglichkeit geben sollte, einen dann evtl. anstehenden Folgeauftrag in der ersten Februarhälfte 92 anzunehmen.

Tatsächlich klappte unsere Zeitplanung bis aufs i-Tüpfelchen, und unser Sohn Ralf wurde eine Woche vor meinem Abflugtermin am 7. 11. 91 geboren. Wir waren beide sehr froh über diese termingerechte Ankunft und die restliche Woche verging wie im Fluge bei regelmäßigen Besuchen im Krankenhaus. Mit ein wenig gemischten Gefühlen trat ich am 14. 11. die voraussichtlich 20-stündige Anreise nach Taipeh an. Gemischte Gefühle deshalb, weil ich für meine "Traumreise" meine Freundin Angela mit unserem frisch geborenen Sohn für voraussichtlich zweieinhalb Monate alleine lassen mußte. Trotz allem überwog zu diesem Zeitpunkt jedoch die Freude auf ein neues "Abenteuer".

Am 15. 11. kam ich gegen 20 Uhr Ortszeit in Taipeh an, wo es zunächst einmal galt, ein Taxi zu finden, dessen Fahrer mit der von Gerd angegebenen Hoteladresse etwas anzufangen wußte. Tatsächlich hatte ich Glück und fand einen solchen, der mich zudem nicht einmal mit dem Fahrpreis übers Ohr haute. Kurz bevor wir bei dem gewünschten Hotel ankamen, bot er mir noch an, "a nice young girl" für mich zu besorgen, was ich jedoch dankend ablehnte.

Seine Fahrkünste im Verkehrschaos von Taipeh honorierte ich mit einem ordentlichen Trinkgeld, bevor ich in das Hotel eintrat , das ich erst nach genauer Betrachtung der chinesischen Leuchtreklame als das Gewünschte identifizieren konnte.

Der Rest der Crew war offenbar noch ausgegangen, und so machte ich, nachdem mein Gepäck in meinem Zimmer abgelegt war, einen kleinen Spaziergang in der Umgebung, wobei ich feststellte, daß es auch hier jede Menge "nice young girls" gab, die Massagen und andere Dienste anboten.

Als ich wieder zurückkam, war Gerd auch wieder da, und ich besuchte Ihn noch kurz, um Guten Tag zu sagen.

Eine junge Dame, die sich später als seine deutsche Freundin Petra und unser viertes Crewmitglied herausstellte, wurde an diesem Abend mangels Bekleidung noch im Badezimmer versteckt.

Wir besprachen nur ganz kurz das nötigste, wobei ich erfuhr, daß der Stapellauf entgegen der Planung immer noch nicht stattgefunden hatte, nun aber für den kommenden Montag geplant war. Wir vereinbarten am nächsten Tag zusammen zur Ta Chiao Werft zu fahren, um die von mir aus Deutschland mitgebrachten Teile (u. a. eine recht voluminöse Kiste, die ein neues Typhon enthielt) an Bord zu bringen.

Nach unserer kurzen Begrüßung fiel ich in meinem Zimmer rechtschaffen müde in die "Koje".

 

6 Wochen auf der Ta Chiao Werft

Am nächsten Morgen ging es um 8 Uhr mit dem Auto zur Werft, wo ich mit einem ersten Blick in das Schiff zwei Dinge feststellte:

Mitten im Salon war die elegante "Hausbar" des Schiffes zu bewundern, ein bananenförmiger gelber Tisch zum Aufklappen.

Am Abend ging die ganze Crew chinesisch essen, wobei die Handhabung der Stäbchen mir zu Anfang noch etwas Schwierigkeiten bereitete.

Da waren wir nun das erste Mal alle beisammen:

Mit dem Aufbrechen war es aber wie gesagt noch nicht soweit, und daher begaben wir uns am Sonntag erst einmal auf das noch an Land stehende Schiff, um die Vorbereitungen für den am folgenden Tag vorgesehenen Stapellauf zu treffen. Es wurde so gründlich wie auf einer Baustelle eben möglich aufgeräumt, und wir flaggten über die Toppen. Ich machte noch Festmacherleinen in verschiedenen Längen fertig, und wir hievten das Dinghi an den Davits nach oben. Dann war der Tag auch schon herum und wir hatten alle das Gefühl, ein gutes Stück weitergekommen zu sein. Mit etwas Glück wollten wir Ende der Woche in See stechen.

Am Montag den 18. 11. war es dann soweit: Das Schiff ging um 9 Uhr nach einer kleinen Ansprache von Petra mit nachfolgender Vernichtung einer Sektflasche am Bug der Heaven can wait zu Wasser. Dazu gab die Stereoanlage einen Radetzkymarsch von sich und das neue Typhon wurde ausgiebig betätigt. Doch zunächst schien es so, als wenn die Heaven can wait noch gar nicht in ihr Element wollte: Mehrfach blieb der Wagen auf den Schienen hängen, doch mit ein wenig hin- und herschieben war es schließlich doch geschafft. Die Heaven can wait schwamm und wurde von Werftbesitzer Wayne Chen bei einem veritablen Seitenstrom geschickt ins Fahrwasser manövriert.

Nach einer kurzen Probefahrt ankerten wir nahe bei der Werft, und die Arbeiter gingen erst einmal von Bord, wobei man den Eindruck bekam, daß die Baustelle Heaven can wait für die Werft nach dem Stapellauf zunächst einmal "erledigt" war. An diesem Nachmittag tat sich also gar nichts mehr, obwohl noch genug zu tun gewesen wäre.

Am folgenden Tag war eine Werftprobefahrt zur Prüfung des Schiffes durch die Klassifikationsgesellschaft BV angesetzt.

Diese Fahrt wurde noch von der Werft durchgeführt und endete in einer kostspieligen Panne: Bei der Messung der Stoppstrecke mit AK zurück nahm der Steuermann unnötiger Weise Fahrt achteraus auf und hielt dabei das Steuerrad nicht fest genug. Das Ruder schlug mit einem dumpfen Knall gegen den Anschlag, die Maschine ging sofort aus (den Zusammenhang verstehe ich bis heute nicht ganz) und beide Hydraulikzylinder der Ruderanlage waren hoffnungslos verbogen. Augenblicklich wurde von uns der Anker geworfen, damit wir mit dem starken Gezeitenstrom nicht auf ein Flach trieben.

Anschließend wurden von den Werftarbeitern die beiden Hydraulikzylinder ausgebaut, was gar nicht so einfach war, da diese natürlich stark unter Spannung standen. Das Testprogramm war damit jedenfalls für diesen Tag beendet und zu den vielen kleinen Mängeln war nun noch ein größeres Problem hinzugekommen. Nachdem das Ruder mit der Notpinne wieder bedient werden konnte, verholten wir das Schiff noch zum Liegeplatz vor der Werft und waren damit für heute gründlich bedient. Wir hofften, daß wenigstens das Ruderblatt selbst nicht beschädigt worden war, da wir in diesem Fall wieder aus dem Wasser gemußt hätten.

Wir hatten Glück, denn eine Woche später stellte ein Taucher fest, daß am Ruderblatt alles in Ordnung war.

Die folgenden Wochen vergingen mit der Reparatur von neuen und alten Schäden. Manchmal hatten wir das Gefühl, daß für jedes Teil, das in Ordnung gebracht wurde, an anderer Stelle wieder etwas kaputt ging. Einmal war es die Deckwaschpumpe, dann wieder die Aircondition, ein anderes Mal gab es Probleme mit der 20.000 US $ teuren Navigationselektronik, für die es hier keinen richtigen Spezialisten gab.

Der Tamsui River ist wohl der schmutzigste Fluß, den ich kenne und neben der stinkenden braunen Brühe, deren Front jeden Tag kurze Zeit nach Einsetzen der Ebbe von der Stadt heruntergetrieben wird, sind vorbeitreibende Bündel von Gedärmen und aufgedunsene Tierleichen an der Tagesordnung.

Das Anlanden mit dem Dinghi war schon bei halber Tide am Schwimmsteg der Werft nicht mehr möglich, sondern mußte über deren Slipanlage erfolgen, was eine kurze "Wattwanderung" zur Folge hatte, auf die man hier lieber verzichtet hätte.

Lichtblicke in unserem "Wartealltag" auf dem Tamsui River waren die guten Mahlzeiten, mit denen Petra uns verwöhnte und die wenigen Ausflüge zum Sportflughafen, von dem aus der Werftbesitzer uns einige Male mit dem Ultraleicht-Flugzeug mitnahm.

Ein paar Mal kam die Eignerin mit großem Gefolge zu einem sehr wohlschmeckenden Tepanaki Essen an Bord, was auch etwas Abwechslung brachte. Die Eignerin bereitete fast alles selbst zu und es schmeckte vorzüglich. Da die Leute natürlich mit feiner Kleidung anreisten, stellten Volker und ich uns bei diesen Gelegenheiten als "Watt-Träger" zwischen Land und Dinghi zur Verfügung, wenn der Wasserstand für ein Anlanden am Werftsteg zu niedrig war. Während das bei der jungen Eignerin eher als Vergnügen anzusehen war, artete diese Tätigkeit bei deren mit großer Leibesfülle ausgestatteten Mutter in Schwerarbeit aus.

Mindestens einmal pro Woche verholten wir bei Hochwasser zur Werft um unseren immensen Durst nach Wasser zu befriedigen. Immerhin hatte das Schiff zwei Tonnen Frischwasser an Bord, aber mit Waschmaschine und Geschirrspüler an Bord war auch das schnell verbraucht.

Ansonsten ist über die eineinhalb Monate, die wir in Taipeh verbracht haben nicht viel zu berichten, außer daß die Stimmung an Bord merklich schlechter wurde, da insbesondere Volker und ich uns den Job einer Yachtüberführung von Taipeh zu den Seychellen ganz anders vorgestellt hatten. Als besonderes Ereignis ist höchstens noch die Explosion einer nahegelegenen Chemiefabrik zu erwähnen, die eines Tages erfolgte. Alles stand lichterloh in Flammen und eine dichte Rauchwolke trieb nicht weit an der Heaven can wait vorbei. Das ganze war für dortige Verhältnisse vermutlich nichts so außergewöhnliches und böse Zungen behaupten, daß die Luft in Taipeh ohnehin nicht mehr giftiger werden kann.

Ach ja, auch die Geschichte mit dem dumpfen Schlag, der uns eines Nachts alle aus den Kojen schreckte muß noch erzählt werden. Es hörte sich an, als wenn sonstwas gegen den Rumpf getrieben wäre, aber es war einfach nirgends etwas zu sehen. Erst am nächsten Morgen stellte sich heraus, daß Volker während der Nacht aus seiner Koje gut 1,50 m in die Tiefe gefallen war. Mit der dabei angeschlagenen Schulter sollte er noch einige Zeit Probleme haben.

Die letzten zwei Wochen vor der Abfahrt verbrachten wir mit Warten, auf das Eintreffen der noch ausstehenden Restzahlung von der Eignerin. Angeblich gab es zwischen Werftleitung und Eignerin irgendwelche Streitigkeiten über den zugrunde zu legenden Dollar-Kurs. Etwas genaues wußte bis auf Gerd keiner. Manchmal hatten wir den Eindruck, daß er selbst die Sache wegen irgendwelcher Folgegeschäfte mit einer Serienfertigung dieser Yacht verzögerte. Sehr geheimnisvoll war auch der im Hintergrund agierende deutsche Anteilseigner des Schiffes, den es uns gegenüber gar nicht gab. Offensichtlich handelte es sich um Gerds Bruder, was ihm wohl aus irgendeinem diffusen Grund peinlich war. Irgendwann während dieser Zeit mußten wir noch einen Vertragszusatz unterschreiben, der uns verbot Gerds im Salon installierten Laptop mit streng geheimen Geschäftsdaten zu benutzen. Nun ja, ein paar Worte hätten innerhalb einer so kleinen Crew auch genügt. Aber Gerd hegte anscheinend gegen uns ein immer größer werdendes Mißtrauen, daß wir ihm bei seinen Geschäften irgendwie Konkurrenz machen könnten. Kurz und gut: Alles war ein bißchen undurchsichtig und geheimnisvoll. Mir war ein derart steifes Zusammenleben von Seglern an Bord noch nie begegnet. Es hätte nur noch gefehlt, daß wir uns mit Sie angeredet hätten.

 

Reiseabschnitt Taipeh-HongKong

Dann hieß es noch mal ein paar Tage Warten auf besseres Wetter, wobei wir einmal mehr anderer Meinung waren als Gerd, denn wir hatten während dieser Wartetage im wesentlichen kein außergewöhnliches Wetter: Der NE-Monsun blies eben mit Stärke 6, was er um diese Jahreszeit sehr häufig tut. Unserer Ansicht nach gab es jedenfalls keinen Grund bei achterlichen Winden um 6 Bft mit einer 22 m Yacht, die mit allem ausgerüstet war, was ein Seeschiff benötigt, die Abfahrt noch weiter zu verzögern. Aber schließlich war er der Skipper und so hielten wir den Mund. Als er mich dann anläßlich eines der Wetterberichte selbst fragte, was ich denn wohl machen würde, sagte ich natürlich meine Meinung, was aber anscheinend auch auf Anfrage hin eindeutig zuviel war. Gerd wurde richtig agressiv über diese andere Meinung und warf mir schließlich vor, ein Draufgänger zu sein, der wohl bei jedem Wetter ohne Rücksicht auf Verluste auslaufen würde.

Nun gut, wie schon gesagt war das soziale Klima an Bord nicht das beste, aber am 20. Dezember ging es dann wenigstens erst mal los. Wayne Chen brachte das Schiff sicher zur Flußmündung, wo wir an der Zolllpier nochmal anlegen mußten, um die Ausfuhr des Schiffes von den Behörden abnehmen zu lassen.

Nachdem wir die ganzen Formalitäten erledigt hatten, machten wir das Schiff in aller Ruhe seeklar und legten am Nachmittag von der Zollpier ab. Wir hatten idealen Wind, wie es sich für diese Jahreszeit gehört: NE um 6.

Ca. 7 sm vor der Küste, stand eine Kursänderung an, für die wir bei dem etwas rauhen Seegang von Autopilot auf Handsteuerung gehen wollten. Dabei mußten wir feststellen, daß wir in dieser kurzen Zeit soviel Hydrauliköl durch die Autopilotpumpe veloren hatten, daß oben am Steuerrad nur noch Luft in den Leitungen war. Nachdem wir begriffen hatten was los war, galt es also das Hydrauliköl aus Volkers Toilettenraum zu holen, den Steuerstand aufzuschrauben und erstmal Öl nachzufüllen.

Volker kam erst nach geraumer Zeit wieder mit dem Öl zum Vorschein und erzählte uns später, daß seine Kabinentür durch eine bei Lage herausgerutschte Koje so blockiert worden war, daß er durchs Toilettenschränkchen von Steuerbord nach Backbord krabbeln mußte, was man getrost als akrobatische Leistung bezeichnen darf (insbesondere mit Ölkanister in der Hand).

Es stellte sich heraus, daß beim Steuern per Hand kaum Öl austrat, und so kehrte nach dem ersten Schreck unsere Freude über den lang ersehnten Aufbruch bald zurück.

Wir steuerten die Strecke von ca. 500 sm im routinemäßigen Wachwechsel bei herrlichem Segelwetter ohne weitere Zwischenfälle von Hand.

Unser bestes Etmal betrug 210 sm und so kamen wir schon nach zwei Tagen und 14 Stunden gegen Mitternacht in Hong Kong an. Die Ansteuerung bereitete bis auf das letzte Stück in die Aberdeen Marina keine Schwierigkeiten. Lediglich bei der Einsteuerung in die Marina waren wir uns für kurze Zeit nicht ganz sicher, ob wir die richtige Bucht erwischt hatten, da diese Marina, von der Gerd durch eine frühere Erkundungsfahrt in Hong Kong wußte, in unserer Seekarte nicht genau eingezeichnet war.

Die letzten Zweifel wurden jedoch durch ein entgegenkommendes Lotsenboot beseitigt, dessen freundlicher Skipper uns mit seinem Suchscheinwerfer den weiteren Weg andeutete.

Ganz langsam glitten wir durch einen engen Kanal, vorbei an Fischerbooten, Lastkähnen und Yachten zur Marina. Nach kurzer Zeit hatten wir festgemacht und genossen bei einem obligatorischen "Einlaufbier" die nächtliche Stille im Hafen, die kaum ahnen läßt, welch hektische Betriebsamkeit hier am Tage herrscht.

Nach ein paar Stunden Schlaf wurden wir von den Motorengeräuschen der vorbeifahrenden Fährboote wieder geweckt, die einen Strom von Touristen zu dem berühmten Schwimmrestaurant "Jumbo" bringen. Da wir direkt an ihrer Durchfahrt lagen, waren die Boote, die im Abstand von 2m an uns vorbeifuhren auch von sehr müden Zeitgenossen nicht zu ignorieren und so standen wir alle auf, um das Schauspiel zu betrachten.

Im Hafen herrschte ein sehr reger Verkehr, der es an Dichte bestimmt mit dem Autoverkehr in mancher Großstadt aufnehmen kann. Alle fuhren kreuz und quer durcheinander, und wenn dann noch eine der Luxusmotoryachten aus ihrer Box ablegte, gab es richtige Staus. Rings um uns herum lagen Motoryachten deren bezahlte Crews eifrig polierten und putzten, bis alles blitzeblank war.

Der Aberdeen Marina Club, in dem wir lagen, ist der Treffpunkt für Leute aus der Oberschicht Hong Kongs. Das Clubgebäude würde man zunächst eher für ein mittelgroßes Hotel halten. Unsere Liegegebühr hier betrug umgerechnet ca. 200,-DM pro Tag und später erfuhren wir, daß die Aufnahmegebühr des Clubs für neue Mitglieder rund 60.000,-DM beträgt. Gleich nach dem Frühstück machte Gerd sich auf den Weg, um die nötigen Reparaturen (vor allem an der Ruderanlage) zu organisieren. Die umfangreiche Navigationselektronik sollte hier in Hong Kong von einer Spezialfirma noch einmal überprüft und geeicht werden. Nachmittags kam dann auch ein Vertreter der Firma B&G, um zunächst die Hydraulikpumpe des Autopiloten auszubauen. Die Pumpe sollte ausgetauscht werden, und wie sich herausstellte, hieß das, daß wir Sylvester in Hong Kong verbringen würden, weil die Teile aus England geliefert werden mußten, wo über Weihnachten und Neujahr nicht gearbeitet wird. Die Tage in Hong Kong vergingen aber viel schneller als die Wartezeit in Taipeh. Hier gab es viel zu entdecken und dank der sehr guten und billigen öffentlichen Verkehrsmittel, war es auch Volker und mir möglich, ausgedehnte Fahrten durch Hong Kong zu unternehmen. Am liebsten fuhren wir mit den Doppeldeckerbussen, obwohl die U-Bahn schneller ist. Eine Busfahrt quer durch das ganze Stadtgebiet kostet umgerechnet 40 Pfennig. Hong Kong ist insgesamt bedeutend sauberer als Taipeh und auch die Luft ist nicht so vom Smog durchsetzt wie dort. Da wir an Bord wenig zu tun hatten, erforschten wir bald jeden Tag einen anderen Stadtteil oder einen der zahlreichen Naturparks. Ich war sehr überrascht zu erfahren, daß der flächenmäßig größte Anteil von Hong Kong aus Naturparks besteht. Dafür wird in den bebauten Teilen der Kolonie natürlich großzügig in die Höhe gebaut. Kaum ein Gebäude hat weniger als 10 Stockwerke.

Diese Gegensätze sind einfach faszinierend: Da fährt man eine halbe Stunde durch Straßenschluchten zwischen Wolkenkratzern und plötzlich ist man wieder mitten in der Natur, wo man statt der hierzulande üblichen Enten, Paviane füttern kann.

Erwähnenswert ist noch die Sylvesterfete der Heaven can wait- Crew. Gerd und Petra wollten zu Sylvester gerne am Gala Abend im Marina Club teilnehmen, wonach Volker und mir überhaupt nicht der Sinn stand. Also erklärten wir uns bereit, an Bord zu bleiben und besorgten uns für unsere kleine Feier noch ausreichende Vorräte an Bier und Sekt.

Mit abnehmenden Vorräten nahm unsere Stimmung immer mehr zu, und die Heaven can wait wurde (weithin hörbar) zum Discodampfer. Um 0 Uhr betätigten wir aus alter Tradition in der Schiffahrt zwölfmal das Typhon (und über die Tradition hinausschießend noch etliche Male öfter) woraufhin wir (als Belohnung oder als Beruhigungsmittel?) von einer vorbeifahrenden Fährfrau je einen für europäische Zungen sehr eigenartig schmeckenden Bonbon geschenkt bekamen. Gegen 1 Uhr fielen wir dann erschöpft in unsere Kojen.

Daß unsere ausgelassene zwei-Mann-Fete wohl nicht zum Stil des Marina Clubs gepaßt hat, erfuhren wir am nächsten Morgen durch Gerd, der zu uns meinte, wir hätten den Club wohl "ganz schön aufgemischt", was uns beide aber kaum störte.

Am 2. Januar kamen schließlich die "Spezialisten" von B&G wieder an Bord, um die Hydraulikpumpe einzubauen, d. h. vielmehr, um sie von uns einbauen zu lassen, da sie selbst dazu nicht in der Lage waren. Die Bemühungen, noch bestehende Fehlfunktionen in der Elektronik zu beheben, waren ebenfalls erfolglos und man verabredete sich schließlich zu einer Testfahrt am nächsten Tag, um die Elektronik zu eichen. Da die Hydraulik nach wie vor undicht war, beschloß Gerd noch einen Monteur von der Marina zu Rate zu ziehen. Daraufhin kam der Australier Tim an Bord, der normalerweise als Einhandsegler mit seiner Stahlyacht, oder als Überführungsskipper die Weltmeere befährt und sich hier in Hong Kong nun als Monteur etwas Geld verdiente. Tim erwies sich mit seiner großen Erfahrung auf den verschiedensten Yachten als große Hilfe für uns. Noch am selben Nachmittag war die Hydraulik (scheinbar) dicht. Tim war ursprünglich einmal Elektroingenieur, segelte nun aber schon seit 6 Jahren mit seiner Yacht hauptsächlich in fernöstlichen Revieren und verdingte sich, wo sich die Gelegenheit bot, als Skipper für Überführungsfahrten oder eben als Monteur (letzteres aber natürlich nicht so gerne).

Die Probefahrt am folgenden Tag mit dem B&G-"Spezialisten" wurde eine reine Farce. Der arme Mann war zum ersten Mal alleine auf so einer Probefahrt und er kannte sich mit den Programmiermöglichkeiten der B&G Meßtechnik fast in allen Punkten schlechter aus als Gerd selbst. Am Ende war kein einziger Fehler behoben, dafür funktionierte nun aber zusätzlich die Logge nicht mehr. Wie dem auch sei, wir mußten nochmal ein paar Tage auf irgend einen Umschalter aus England warten.

 

Reiseabschnitt HongKong-Singapur

Am 6. Januar liefen wir schließlich mit Ziel Singapore wieder aus. Zwar hatte sich am Zustand der Elektronik nach unserer gut zweiwöchigen Liegezeit nichts zum Besseren geändert, aber dafür waren wir nach der Probefahrt zuversichtlich, daß die viel wichtigere Ruderanlage jetzt in Ordnung sein würde.

Das sollte sich jedoch schon am zweiten Seetag als Trugschluß herausstellen. Da das Öl diesmal auch bei Handsteuerung entwich, hätten wir für die doppelt so lange Seestrecke nach Singapore nicht genügend Hydrauliköl dabei gehabt. Wir rechneten zunächst schon damit, die Notpinne benutzen zu müssen. Glücklicherweise fiel mir nach einiger Zeit die an sich überaus naheliegende Möglichkeit ein, das Öl, das unten rausläuft oben wieder einzufüllen. Im nachhinein kommt man sich natürlich reichlich dämlich vor, daß einem eine so einfache Idee nicht sofort eingefallen ist.

Die Bemerkung von Gerd zu meiner Idee zeigte wieder dessen seltsames Verhältnis zu seiner Crew: Er fragte mich doch tatsächlich, wie lange ich diese Idee schon für mich behalten hatte.

Jedenfalls lag fortan unter der Hydraulikpumpe eine halbierte Colaflasche, die mit Bändseln fixiert war und etwa alle 4 Stunden umgefüllt werden mußte. Auf diese Weise konnten wir uns sogar den Luxus leisten, mit Autopilot zu fahren.

Am dritten Seetag fing es ganz ordentlich zu blasen an und bald hatte sich eine recht hohe See aufgebaut, die der Autopilot nicht mehr bewältigte: NE 8, See 5-6. Diese Sturmfahrt endete mit einigen Blessuren für Ausrüstung und Mannschaft. Petra flog irgendwann quer durch den Salon und schlug mit dem Rücken auf unsere "Banane" (den Salontisch), wobei sie sich glücklicherweise nur blaue Flecken holte. Die Satcom Antenne spriang aus ihrer Lagerung und meine in Hong Kong neu erworbene Kamera nahm auf der Bücherablage durch einige undichte Bullaugen ein Salzwasserbad, welches sie nicht überstand.

In Singapore kamen wir nach 11 Seetagen wieder nachts an, und wir steuerten die Fingerpier im Stadtzentrum an, die Gerd von den Zollbehörden als der richtige Liegeplatz zum Einklarieren empfohlen worden war.

Als wir in den Hafen einliefen, machten sich allerdings bei uns allen leichte Zweifel an dieser Empfehlung breit, denn es handelte sich um einen schmutzigen Seitenarm des Handelshafens, in dem jede Menge Fischereifahrzeuge lagen, denen wir als Längsseitslieger unwillkommen waren. Schließlich machten wir an einer reifenbewehrten Spundwand fest, von der man uns aber auch gleich wieder verscheuchen wollte. Gerd konnte aber durchsetzen, daß wir wenigstens zum Einklarieren im gegenüber liegenden Zollamt hier liegen bleiben konnten. Während die meisten Arbeiter auf der Pier recht unfreundlich schienen, kam ein älterer Vorarbeiter auf mich zu und nachdem wir ein wenig ins Gespräch gekommen waren, erwies er sich als sehr hilfsbereit. Schließlich fuhr er sogar unverzüglich nach meiner vorsichtigen Frage nach einem Telefon mit dem Motorroller los, um mir eine Telefonkarte zu holen.

Irgendwie wirkte unser Mini-Luxusliner zwischen all den zweckgebundenen Fischereifahrzeugen doch recht deplaciert, und als mich ein Arbeiter fragte, zu welchem Zweck wir zur See fahren, wurde mir bewußt, wie unverständlich die Anschaffung eines "Repräsentationsschiffes" für diese Leute sein muß, die ihr tägliches Brot mit der Seefahrt verdienen müssen. Als das Gespräch schließlich auf das woher und wohin unserer Reise fiel, mußte ich unwillkürlich an die vielen Berichte über organisierte Piraterie in der Malakkastraße denken und antwortete deshalb nur ausweichend. Nachdem ich mich zu Hause gemeldet hatte und Gerd das Einklarieren erledigt hatte, kam noch die Polizei an Bord, um unsere Waffen, die wir in Hong Kong vorsorglich wegen der Piraten gekauft hatten, in Gewahrsam zu nehmen. Natürlich fragten wir bei dieser Gelegenheit auch die Polizisten, was denn an den vielen Schauergeschichten über Piraten in der Malakkastraße dran ist. Offensichtlich ist die Piraterie in diesen Gewässern tatsächlich recht häufig. Meistens sollen die schnellen Motorboote mit 6 oder 7 Mann besetzt sein. Sie kommen in der Dunkelheit von achtern auf, und hängen sich dann mit Enterhaken an ihre Beute. Nachdem er uns diese allgemeine Taktik erklärt hatte, gab uns einer der beiden Polizisten den ernst gemeinten Rat, die Piraten einfach alle zu erschießen, sobald sie versuchen eine Leinenverbindung herzustellen. Der Polizei sollten wir einen solchen Vorfall am besten gar nicht melden (das gibt nur unnötig Ärger).

Da keiner von uns so richtig gut mit den Waffen umgehen konnte, hofften wir alle sehr, gar nicht in eine solche Situation zu kommen. Nachdem die Formalitäten erledigt waren, legten wir wieder ab und fuhren bei schwachem Wind unter Maschine etwa 20 sm zurück, um dort gegen 3 Uhr vor Anker zu gehen.

Am Morgen wurde gleich das Beiboot klar gemacht und bald kam auch wieder ein Serviceteam von B&G an Bord, das wir schon von See aus über Funk bestellt hatten. Die Leute waren diesmal wirklich fähig, sodaß die Satcom Anlage und die sonstige Elektronik schnell wieder in Ordnung waren. Die Undichtigkeit in der Ruderhydraulik wurde sofort als Konstruktionsfehler der TaChiao Werft entlarvt: Bei Systemen mit parallel angeschlossener Autopilotpumpe muß es offensichtlich vom Ölreservoir der Pumpe eine Rücklaufleitung zum Steuerstand geben, die genau das macht, was wir unterwegs von Hand gemacht hatten. Schon am nächsten Tag wurde eine neue Leitung gelegt und so waren wir bald wieder seeklar. Singapore ist eine sehr sterile Stadt, in der zwar alles piekfein sauber ist, die aber nicht die Atmosphäre wie z. B Hong Kong hat. Die Ordnung geht so weit, daß sogar das Kauen von Kaugummi auf der Straße verboten ist! Dafür waren die Mädchen in der Hafenkneipe, die Volker und ich abends zweimal besuchten, ausgesprochen hübsch.

 

 

Die "gefährliche" Malakkastraße

Nach nur einer Woche stachen wir "schon" wieder in See, denn Gerd hatte es nun, nachdem ich ihm angekündigt hatte, mit Auslauf meines Vertrages am 31. 1. von Bord zu gehen, offensichtlich doch eilig, bis dahin wenigstens noch durch die Malakkastraße zu kommen. Volker wollte dann noch bis Ende Februar an Bord bleiben und hoffte, in dieser Zeit wenigstens noch die Malediven kennen zu lernen.

Wir beschlossen, am 26. 1. ganz früh auszulaufen und größtenteils unter Maschine zu laufen, um die Malakkastraße möglichst schnell hinter uns zu bringen. Das Revier empfing uns sowieso mit totaler Flaute, sodaß wir uns nicht ärgern mußten. Nachts fuhren wir abgedunkelt, um für eventuelle Piraten zumindest optisch nicht sichtbar zu sein. Das hieß natürlich, daß wir selbst äußerst wachsam sein mußten, um uns von anderen Fahrzeugen freizuhalten. Während dieser Zeit gingen wir zu dritt Wache, und die Umgebung wurde sowohl optisch mit Fernglas und Nachtsichtgerät, als auch per Radar aufmerksam beobachtet. So schlichen wir uns ungesehen durch die endlosen Lichterketten der Fischer und in weitem Bogen vorbei an großen Frachtern, deren Wachoffiziere sich wohl manches Mal etwas nervös gefragt haben müssen, was das wohl für ein Echo auf dem Radarschirm war, wo man doch optisch nichts sehen konnte. Allerdings sind unbeleuchtete Fahrzeuge in diesen Gewässern auch nicht allzu ungewöhnlich.

Nach drei Tagen kamen wir schließlich -natürlich wieder nachts- in Phuket an, ohne irgendwelche Zwischenfälle erlebt zu haben.

Wir legten uns nach einer radargestützten Einfahrt in der Bucht vor Phuket bis zum Morgen vor Anker.

Bei Tageslicht betrachtet sah unser Ankerplatz nicht gerade einladend aus, und so entschloß Gerd sich, noch am gleichen Tag auf die Westseite der Halbinsel Kho Phuket zu segeln, wo es wunderschöne Ankerbuchten geben sollte. Außerdem waren dort eine Reihe von Hotels angesiedelt, von denen aus die Organisation meines Rückflugs einfacher erschien.

Nach einem wunderschönen Törn dicht entlang einer wunderbaren Küste erreichten wir unseren neuen Ankerplatz, an dessen Strand sich die Touristen nur so tummelten. Aber für die Organisation eines Fluges schien dies genau der richtige Ort zu sein. Nachdem das Beiboot klar war, fuhr ich gleich an Land um zu erkunden, wann ich heim fliegen konnte. Da ich zu Hause schon wieder einen Job angenommen hatte, war ich etwas in Zeitdruck, sodaß es mir ganz recht war, daß Gerd mich meinen Flug selbst organisieren ließ. Eigentlich tat Gerd dies wohl, um mir eins auszuwischen, nachdem er sich am Morgen über mich geärgert hatte, weil ich in Erinnerung an unsere bisherige "Zeitplanung", Skepsis geäußert hatte, ob das mit meinem Heimflug denn auch reibungslos klappen würde. Der nächste Flug war leider schon am selben Abend. Ein paar Tage Pause wären mir ja lieber gewesen, da dies der erste wirklich schöne Ankerplatz auf unserer ganzen Reise war. Das Verhältnis zu Gerd war inzwischen so gespannt geworden, daß er sich gar keine große Mühe mehr gab, zu verbergen, daß er froh war, mich los zu werden.

 

Abenteuerlicher Heimflug

Volker meinte noch, daß ich am Flughafen evtl. Schwierigkeiten bekommen könnte, weil Gerd wegen der Umstände mit den Waffen an Bord ausgerechnet diesmal nicht einklarieren wollte.

Ich beschloss meine Heimreise trotzdem ohne weitere Anfrage bei Gerd anzutreten und hoffte dabei, daß "die sich schon nicht so anstellen würden", zumal ich ja nur wieder ausreisen wollte.

So saß ich am Abend etwas wehmütig ob der so raschen Abreise im Taxi und fuhr durch eine wunderschöne Landschaft zum Flughafen auf Kho Phuket.

Während Volker beim Abschied wie ich selbst ein wenig traurig war, schien Gerd sich eher zu freuen, daß er den Störenfried, der nach seiner Meinung viel zu oft zum baldigen Auslaufen getrieben hatte, nun endlich los war. Er verabschiedete mich ganz kurz mit einem etwas hämischen Grinsen und der Bemerkung, daß ich ja mit dem Flug noch einiges vor mir hätte. Ich verstand die Bemerkung zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz so, wie sie gemeint war, doch davon später mehr.

Auf dem Inlandsflug nach Bangkok kam ich noch problemlos an Bord. Um 0030 Uhr sollte es von dort aus mit China Airlines weiter nach Amsterdam gehen. Doch Pustekuchen, beim Check-in bedeutete mir die Dame am Schalter höflich aber bestimmt, daß sie mich ohne Einreisestempel im Paß nicht durchlassen könne. Da war guter Rat natürlich teuer, nachts auf dem Flughafen von Bangkok. Ich versuchte erstmal den Leiter des dortigen Zollamtes zu überreden, für mich eine Ausnahme zu machen, aber auch der blieb "beinhart" und gab mir lediglich die Adresse des Immigration Office in Bangkok, bei dem ich mich am nächsten Tag melden sollte. Nach einer "wunderbaren" Nacht auf dem Flughafen von Bangkok, war ich dann auch gleich morgens um 8 Uhr beim Immigration Office zur Stelle, um meine Story zum Besten zu geben.

Das Amt klärt den Besucher zunächst einmal auf einer großen blauen Tafel darüber auf, welche Äußerlichkeiten der Einwanderungswillige im Königreich Thailand zu beachten hat, um nicht gleich abgewiesen zu werden. Da ist u. a. die Rede von ungepflegten Bärten, schmutzigen Hosen etc., die einer Einwanderung von vornherein im Wege stehen.

Obgleich ich ja nicht einwandern wollte, blickte ich unwillkürlich an mir herunter, ob ich in diesem mehr oder weniger übernächtigten Zustand wohl den Anforderungen eines thailändischen Einwanderungsbeamten an einen ordentlichen Menschen genügen würde. Viel Bargeld zum Schmieren hatte ich ja schließlich auch nicht bei mir.

Der erste Uniformierte, den ich ansprach, ließ mich gar nicht ausreden, sondern schickte mich gleich in die Wartehalle zu Schalter XY, wo der Beamte mir bedeutete, daß er mir ohne Einreisestempel im Paß auch nicht weiterhelfen könne, ich solle mal ins dritte Stockwerk gehen und mein Glück da versuchen.

Dort angelangt fand ich einen Beamten mit schon einem goldenen Streifen mehr auf der Schulter, der sich meine Einreisestory vom ahnungslosen Seemann und vom nicht einklarierten Schiff auf Phuket usw. zumindest schon mal anhörte. Anschließend fragte er mich nach meiner Reederei und meinem Seemannsbuch und ich mußte ihm das Ganze nochmal genauer erklären.

Daraufhin schaute er mich ganz ratlos an und schickte mich in den vierten Stock. Das wiederholte sich so ähnlich noch zwei mal, wobei die Zahl der goldenen Streifen auf der Schulter meiner Zuhörer immer größer zu werden schien. Schließlich saß ich einer jungen Dame gegenüber, die meine Geschichte in Thai Schriftzeichen als Protokoll aufnahm, das ich anschließend unterschrieb (obwohl ich natürlich nicht einen einzigen Buchstaben entschlüsseln konnte).

Zum Schluß packte die Dame meinen Paß mit dem Protokoll ins Regal und bedeutete mir, morgen nachmittag um 15 Uhr wieder zu kommen.

Selbstverständlich nahm ich mir vor, pünktlich wieder zur Stelle zu sein, denn ich hatte ein starkes Interesse daran, meinen Paß möglichst bald mit Stempel wieder zu bekommen.

Gleich in der ersten Nacht hatte ich meine Freundin telefonisch noch gebeten mir eine Kreditkarte, die vor meiner Abreise nicht mehr rechtzeitig gekommen war, nachsenden zu lassen. -Nur für den Fall, daß ich länger in Bangkok verbringen müsse. Der Vorgang ging auch sehr flott von statten, allerdings mußte ich feststellen, daß ich die neue Karte in der Zweigstelle in Bangkok ohne meinen Reisepaß gar nicht bekommen hätte, wobei mir unwillkürlich die Geschichte vom Hauptmann Köpenick einfiel.

Als ich das entsprechende Büro im Immigration Office um 15 Uhr am Donnerstag wieder betrat, lag mein Paß noch genau wie am Vortag im Regal, und ich mußte abermals mit Paß und Protokoll in der Hand diverse Stellen anlaufen, bis ich zu guter letzt in der "Water traffic control section" landete, wo mir als erstes der Chef dieser Abteilung auffiel (der mit den meisten goldenen Streifen auf der Schulter), der schlafend über seinen Schreibtisch gebeugt lag.

Ganz überraschend wurde mir hier schließlich der heißersehnte Stempel von einem nicht schlafenden Beamten ohne irgend ein Bußgeld oder eine Gebühr in den Paß gedrückt.

Daraufhin nichts wie zurück zum Flughafen denn um 0030 sollte der nächste Flug nach Amsterdam gehen. Ich hoffte, mit viel Glück noch ein Plätzchen ergattern zu können. Abends stand ich dann am Standby Schalter von China Airlines, wo ich den deutschen Weltenbummler Peter kennenlernte, der das gleiche Problem wie ich hatte: Er wollte auch noch kurzfristig diesen Flug bekommen, denn sonst hätten wir beide noch eine Woche bleiben müssen.

Nachdem in der Economy Class nichts mehr frei war, konnte Peter den Angestellten überreden, gegen Aufpreis unsere Tickets auf Business Class umzubuchen. Überredungskunst war deshalb nötig, weil das bei sog. half-fare tickets, die wir beide hatten, normalerweise gar nicht möglich gewesen wäre.

Das machte nochmal 500,-DM, die ich aber im Augenblick nicht mehr hatte! Ich stellte mich schon darauf ein, noch eine Woche in Bangkok verbringen zu müssen. Aber da hatte ich die Rechnung ohne Peter gemacht, der mir das Geld kurz entschlossen auslieh. Das nenne ich Hilfsbereitschaft. Leider gibt es kaum noch solche Leute, und ich nahm mir insgeheim vor, in einer ähnlichen Situation genauso zu handeln wie er.

Von da an ging wieder alles glatt, und ich konnte den Flug Amsterdam-Hamburg vom Dienstag problemlos auf einen Anschlußflug nach Bremen umbuchen, wo mich meine Familie schon erwartete.

Als Volker (früher als erwartet) zurückkam, wußte er Interessantes zu berichten: Gerd hatte ihm gegenüber offen zugegeben, daß er bei meiner Abreise genau wußte, daß ich diese Probleme in Bangkok bekommen würde und daß er genau deshalb ausgerechnet diesmal nicht einklariert hatte. Ich mit meiner Unerfahrenheit bei Reisen im außereuropäischen Ausland hatte das aber natürlich nicht geglaubt. Im Nachhinein betrachtet hätte ich eben selbst zum Zoll gehen und meinen Paß stempeln lassen müssen, wodurch Gerds kleines Spielchen vielleicht zum Bumerang geworden wäre.

Wie dem auch sei, auch Volker hatte vorzeitig das Feld geräumt, als das Klima zwischen ihm und Gerd unerträglich wurde. Da kamen wohl zum Schluß völlig absurde Vorwürfe auf den Tisch, die Gerds Unfähigkeit, mit einer Crew an Bord umzugehen immer deutlicher machten.

Auch das Zusammenleben an Bord kann eben, wie wohl jeder Segler weiß zum Abenteuer werden.