Reise von Hooksiel zu den Azoren; Sommer 2000

Nach längerer Unterbrechung war im Sommer 2000 endlich mal wieder eine größere Reise geplant. Diesmal sollte es mit dem im Jahr zuvor gekauften eigenen Schiff, dem Kimmkieler MILAN zu den Azoren gehen. Ein paar Jahre zuvor hatte ich eine der Azoren, die Insel Faial kennen und lieben gelernt und hatte mir damals vorgenommen, diese Inseln irgendwann mal genauer zu erkunden. Nun sollte es also soweit sein.

1.    Anreise von Hooksiel via Dover, Plymouth nach Horta

Am Samstag den 1.7.2000 startete ich mit Rainer Altmann an Bord von Hooksiel nach Helgoland, um dort am Sonntag nochmal Diesel, Frischfleisch, Rum und Fisherman’s Friend zu „bunkern“. Nachdem das alles erledigt war, legten wir am Sonntag gegen 1030Uhr mit Ziel Falmouth ab. Die Nordsee empfing uns mit herrlichem Wetter und leichtem achterlichem Wind, der zum  Spinnakersegeln einlud. Am 3. Und 4. 7. hatten wir im Wesentlichen leichte achterliche Winde oder auch Flaute, sodaß die Maschine etliche Stunden zu arbeiten hatte. Leider stellte sich dabei heraus, daß die Trenndioden mitsamt Anschlußkabel beängstigend heiß wurden, sodaß wir uns entschlossen, Dover zur Reparatur anzulaufen. Ca. einen halben Tag hatten wir dabei mit Gegenwinden zu kämpfen.

Die Reparatur ging zwar recht flott noch am Nachmittag des Einlauftages über die Bühne, war jedoch auch mit umgerechnet fast 700,-DM nicht eben billig.

Am Morgen des 6. 7. Legten wir dann wieder mit Ziel Falmouth ab. Dieser Abschnitt ging bei im Wesentlichen günstigen Winden und gelegentlichen Flauten ohne nennenswerte Zwischenfälle im 4 Stunden Wachrythmus von statten. Besonders angenehm empfand ich, daß ich mit Rainer einen sehr erfahrenen Segler an Bord hatte, der das Schiff genau wie ich in beinahe jeder Situation auch alleine handhaben konnte, sodaß wir beide jeweils in unserer Freiwache ruhig schlafen konnten. Am 8.7. kam mit W 4-5 nochmal Gegenwind auf und daher entschlossen wir uns als Starthafen für die Atlantiketappe Plymouth statt Falmouth anzulaufen. Damit war die Nordsee-/Kanal-Etappe mit 616 sm in gut 7 Tagen bewältigt und wir feierten diesen Abschnitt nach einigen Einkäufen und Wartungsarbeiten abends mit einem gehörigen „Zug durch die Gemeinde“. In einem der Pubs bekamen wir ein besonderes Beispiel englischer Freizügigkeit geboten. Was das ganze zu bedeuten hatte wurde uns beiden nicht so ganz klar, jedenfalls legte eine junge, hübsche und als Krankenschwester verkleidete Dame zusammen mit einem jungen Mann, der offensichtlich von ihr immer wieder professionelle Anweisungen erhielt, was als nächstes zu tun sei einen heißen Strip auf’s Parkett. Die ganze Darbietung gipfelte schließlich darin, daß der junge Mann der Dame einen dort vor aller Augen plazierten BonBon aus der Muschi lutschen durfte. Daraufhin erhielt der junge Mann eine Urkunde, deren Inhalt uns beiden aber trotz aller Neugier verborgen blieb. Da sag nochmal einer, die Engländer seien steif und konservativ!

Den nächsten Tag hatten wir für weitere Wartungsarbeiten am Schiff vorgesehen. Leider fiel Rainer bis zum Nachmittag als helfende Hand aus. Es wird nicht mehr ganz zu erruieren sein, ob eins von den vielen Bieren schlecht war, oder ob‘s am fetten Fish&Chips Essen lag. U. a. wurde an diesem Tag noch eine behelfsmäßige Reparatur am Lümmelbeschlag des Roll-Großbaums verbessert. Der Baum wurde nun von einem mittels altem Schraubendreher verdrillten Bändsel bombenfest zusammengehalten. Dieses Provisorium sollte die kommenden über 1000sm fabelhaft überstehen.  Nachdem Rainer schließlich geduscht hatte und wieder einsatzbereit war füllten wir nochmal Diesel und Wasser auf und beschlossen den folgenden Abend recht solide um für die zu erwartende am Wind Strecke bei frischem Wind am nächsten Tag fit zu sein. Obwohl uns schon interessiert hätte, ob man auch am Sonntag Abend solch turbulentes Nachtleben zu erwarten hatte, gingen wir früh in die Koje und schafften es infolge dessen auch am nächsten Morgen (10.7.) um 0630 Uhr abzulegen.

Den ersten Tag kamen wir bei nordwestlichen Winden bis Stärke 7 mit stark gerefftem Groß und Kreuzfock dem Ziel erfreulich rasch näher. Am 11.7. hatten wir mit 128sm das zweitbeste Etmal auf dieser Etappe, wobei der Wind nachmittags wieder auf 4Bft abnahm und wir von der Kreuzfock auf die Rollgenua wechseln mußten. Die folgenden Tage vergingen bei wechselnden Winden um Nord bis auf das Sichten bzw. nächtliche Hören diverser Wale ohne nennenswerte Zwischenfälle.

Am 15. 7. feierten wir nach gut 600sm mit einem Gläschen Wein das Bergfest:-Die Hälfte der Atlantikstrecke von 1230sm war geschafft.

Am 16. 7. schlief dann zum ersten Mal auf diesem Abschnitt der Wind ein, was mir gar nicht gefiel, zumal mir in Plymouth bewußt geworden war, das der Dieselvorrat im Tank statt der seit dem Kauf des Schiffes angenommenen 250 nur 150l betrug, was bei einem Verbrauch von 2l/h einer Reichweite von ca. 400sm entsprach. Eine tagelange Flaute hätte also zu diesem Zeitpunkt sehr wohl unsere Ankunft empfindlich verzögern konnte.

In der darauffolgenden Nacht verabschiedete sich auch noch der gerade im letzten Winterlager langwierig und für teures Geld reparierte GPS Empfänger, woraufhin wir unsere Navigation mit dem kleinen Hand GPS abwickelten, wobei ich in den Morgenwachen zur Übung auch mal wieder den Sextanten benutzte.

In der Nacht des 18.7. gab es einen kurzzeitigen Ausfall der gesamten Elektrik, weil wir am Tag zuvor unnötigerweise auf die Batterie 1 (nur 60 Ah) zum Starten der Maschine umgeschaltet hatten, ohne danach wieder zurückzuschalten. Nachdem Rainer auf Batterie 2 umgeschaltet hatte lief alles wieder.

Am 19.7. hatten wir mit leichten Gegenwinden zu kämpfen und benutzten zeitweise die Maschine um gegenan zu motoren, weil wir unter Segeln kaum noch Strecke Richtung Ziel gutmachten. Mit dem in den Morgenstunden des 20.7. einsetzenden Nordwind hob sich auch unsere Stimmung wieder und es ging wieder flott voran. Bereits in den Abendstunden sichteten wir im Südwesten in über 40sm(!) Entfernung die Insel Terceira und am 21. 7. machten wir um1645Uhr an der Reception Pier in Horta fest. Bilanz der Hinreise: 1923 gefahrene sm, davon seit Plymouth 1307 sm in 11 Tagen und 8h. Durchschnittsetmal 116sm, bestes Etmal: 136sm. Alles in allem für einen Kimmkieler von 11m Länge eine ganz akzeptable Reisegeschwindigkeit. Insgesamt hatten wir mit dem Wind auch überwiegend Glück gehabt.

Die Tage bis zur Anreise von Angela und Ralf vergingen dann recht schnell  mit diversen Wartungsarbeiten am Schiff und langen Nächten im Cafe Sport und der Disco in Horta, wobei Rainer richtig in Stress kam, um seine ganzen Bekannten zu besuchen bzw. anzurufen.

2. Cruising zwischen den Azoren

Am Dienstag, dem 25.7. kamen Angela und Ralf wie vorgesehen mit dem Flugzeug an. Rainer ging von Bord und wohnte noch  bis zu seinem  Abflugtermin am 1. 8. Im Haus seines Freundes Holger in Horta.

Angela hatte noch bis zum Freitag ein Auto gemietet, mit dem wir einige Touren auf Faial unternahmen. Leider war das Wetter insgesamt in diesen Tagen nicht besonders günstig, sodaß wir von der Caldeira im strömenden Regen nicht sehr viel sehen konnten.

Am Freitag hieß es dann kurz nach 12 Uhr zum ersten Mal auf dieser Reise mit Familie „Leinen los“ und zwar mit Ziel Madalena, einem kleinen Hafen 3 sm von Horta entfernt auf der Insel Pico. Der Wind wehte mit 6 Bft. (in Böen 7) zur Einstimmung der neuen Crew recht frisch.

Als wir in Madalena ankamen, lagen dort leider schon einige Yachten vor Anker, sodaß der verbleibende Raum recht eng war. Ich versuchte mein Glück querab einer französischen Yacht auf ca. 7 m Wassertiefe, jedoch schlippte der Anker ein gutes Stück, bevor er in viel zu knappem Abstand von einem weiteren Ankerlieger faßte. Also wieder Ankerauf, was bei dem herrschenden kräftigen Wind recht schwierig war. Ralf mußte zwischendurch mit der Maschine achteraus gehen, damit wir während des Manövers nicht auf den Ankerlieger drifteten, der an unserer Backbordseite lag. Zu allem Überdruß kam nun auch noch die Fähre aus Horta an, der wir beinahe in die Stb Seite gedriftet wären, wenn ich nicht kurz nach dem an Deck nehmen des Ankers nochmal voll zurück gegeben hätte. Das war mir erst mal genug „Zustand“ an Bord, und ich entschloß mich den Hafen eilends wieder zu verlassen, um zu dem bei dieser Windrichtung ohnehin wesentlich besser geschützten Hafen Sao Roque (Cais do Pico) weiter zu laufen. Das ging bei zeitweise bis zu 8 Kn Fahrt nur mit weit gerefftem Groß recht flott und um 16:00 Uhr konnten wir problemlos an einer Mooring in dem geräumigen Hafen festmachen.  Nach dem Aufbau des Dinghis ging erstmal die Suche nach den Hafenbehörden los, bei denen wir einklarieren mußten. Ralf und ich fanden schließlich  das Gebäude der Guardia Fiscal, jedoch waren alle Türen verschlossen. Eine ältere Frau bedeutete uns, daß wir anklopfen müßten. Nach  mehrmaligem Anklopfen öffnete schließlich ein Beamter, der sich noch als sehr hilfreich erweisen sollte. Nach den Formalitäten fragte ich ihn auf englisch, ob er wüßte, wie man am besten zu einer Wandertour auf den Vulkan Pico käme und er gab mir den Tip, daß zur Zeit organisierte Touren im Rahmen des Hafenfestes durchgeführt würden, zu denen sich jeder nach Belieben anmelden könne. Die Touren sollten um 2 Uhr nachts starten und ich trug mich gleich für die am Sonntag morgen ein. Für den Abend hatten wir vereinbart, daß ich Rainer um 21:00 im Cafe Sport anrufen sollte, da er und seine Freunde Achim und Ulrike ebenfalls gerne mit auf den Pico gehen wollten. Nach einigen vergeblichen Versuchen aus einem Café heraus zu telefonieren ließ uns der hilfsbereite Beamte der Guardia Fiscal von seinem Büro aus gratis telefonieren. Rainer war einverstanden mit der Teilnahme an der Pico Tour, und so trug ich uns alle in die Liste ein. Zwei weitere potentielle Mitwanderer und Freunde Rainers (Lothar Schmidt und Hillmar) winkten beim Gedanken an einen Start mitten in der Nacht gleich ab.

Am Samstag abend trafen wir uns dann alle auf dem Fest in Sao Roque. Ein für den Abend angekündigtes Konzert von Bonnie Tylor hatte wahre Menschenmassen aus Pico und den umliegenden Inseln angelockt und es war eine hervorragende Stimmung. Achim und Ulrike konnten nur noch mit einer extra eingesetzten Sonderfähre später als vereinbart kommen, da die regulären Fähren bereits überfüllt waren. Das Konzert und die vorausgehenden Folklore Veranstaltungen  machten uns allen viel Spaß und auch Ralf war noch bis zwei Uhr morgens mit von der Partie.

Gegen 3 Uhr wurden uns dann in aller Kürze unsere Führer vorgestellt und anschließend wurden wir auf 2 große Baulastwagen „verladen“. Bei sternenklarem Himmel hatten wir auf der teilweise nassen Stahl-Ladefläche des Kippers einen heißen Ritt bis zur Einstiegsstelle des Wanderpfades. Unsere Truppe bestand aus ca. 40 Leuten, überwiegend junge, durchtrainierte Portugiesen, die wahrscheinlich genauer als wir wußten, was sie erwartet. Wir 4 waren zusammen mit 2 älteren Spaniern die einzigen Ausländer.

Nach etwas Warten ging’s dann gegen 4 Uhr morgens ohne weitere Kommentare los und wir folgten den nächsten Taschenlampen ins Gelände. Es war schon eine ziemliche Stolperei und man hätte sicher besser selbst eine Lampe mitgenommen, aber als verwöhnte Deutsche hatten wir darüber einfach nicht so recht nachgedacht. Das Gelände war streckenweise im Dunkeln überhaupt nicht einfach zu begehen und ich hing bereits nach den ersten paar hundert Metern in einer knietiefen Spalte, glücklicherweise in weichem Lehmboden. Die Führer waren, soweit man das erkennen konnte immer recht bald nach vorne verschwunden und leuchteten immer nur an einigen Sammelpunkten nach unten, um uns sozusagen mit einem Leitfeuer den richtigen Weg zu zeigen. In der ersten Morgendämmerung dachte ich dann schon ein paar mal, wir hätten es bald geschafft, aber immer wieder tauchte noch ein weiterer Anstieg hinter der nächsten Ecke auf. Ulrike war schon recht erschöpft und so brachen Achim und Ulrike die Klettertour auf ca. 2/3 der Strecke ab. Ich war einige Zeit bei den beiden geblieben, um Ulrike beim Aufstieg mit zu unterstützen und nun tastete ich mich wieder weitgehend allein in Richtung des nächsten „Leitfeuers“ voran. Nach einer Weile hatte ich Rainer wieder eingeholt, und wir gingen den Rest der Strecke bis zum Hochplateau zusammen. Der Pico hat oberhalb dieses Hochplateaus noch eine „kleine“ Spitze, die aber aus der Nähe betrachtet gar nicht so klein ist und einen für den „Flachland-Tiroler“ recht anspruchsvollen Anstieg darstellt. Rainer meinte zunächst, daß er sich das nicht mehr antun wolle, und so ging ich allein weiter und kam so gegen 7 Uhr tatsächlich auf der obersten Spitze des Pico an. Nach der ganzen Anstrengung war der Ausblick von hier oben grandios und lohnt aus meiner Sicht allemal den Aufwand. Im Osten sah ich die gerade aufgehende Sonne und im Westen auf dem Meer und den paar Wolken, die dort unter uns standen den dreieckigen Schatten des Pico. Als Belohnung gab’s außerdem eine Schraubverschlußkappe voll Whisky für die „Gipfelstürmer“. Nach einer Weile kam auch Rainer noch, der es sich doch nochmal überlegt hatte. In einem kleinen Krater konnten wir uns mit etwas Erdwärme von dem auf der Spitze wehenden kalten Wind wieder aufwärmen.

 

           

Nach einer halben Stunde machten wir uns wieder an den Abstieg, der für Beinmuskeln und vor allem Knie anstrengender als der Aufstieg war. Es war schon bewundernswert, wie unsere Führer „gemsengleich“ elegante Sätze von einem Felsen zum nächsten vollführten, bei denen ich selbst sicherlich vom Laufen ins Rollen übergegangen wäre. Ebenso bewundernswert fand ich die beiden älteren Spanier mit Wanderstock, die wenn auch nicht ganz bis zum Gipfel so doch recht weit nach oben vorgedrungen waren und jetzt frohen Mutes gemächlich den Abstieg bewältigten.

Unten angekommen mußten wir noch etwas auf den Rest der Truppe warten, doch dann kam bald unser Laster, um uns wieder zum Hafen zu bringen. Während ich mich in der Nacht hinter der Vorderwand der Ladefläche zusammengekauert hatte, konnte ich die Fahrt im erfrischenden Fahrtwind bei Tage nun im Stehen richtig genießen. Zwischendurch mußten wir ein paar Mal auf Kühe warten, die sich auf der Straße zum Wiederkäuen niedergelassen hatten.

Aus Sicht eines Deutschen war die Tour mit einer so zusammengewürfelten zum Teil völlig unvorbereiteten Gruppe zwar schon ein verwegenes Unterfangen, was in Deutschland so sicher nicht durchgeführt werden dürfte. Alles in allem war es aber eine wundervolle Tour, so recht nach meinem Geschmack und ich weiß schon jetzt: Sollte ich nochmal zur passenden Zeit in Sao Roque sein, werde ich mir dieses Erlebnis bestimmt nicht entgehen lassen. Jedoch würde ich dann schon selber eine Lampe mitnehmen.

Als wir so gegen Mittag wieder am Hafen waren wurde ich von einem der dort zur Regatta angereisten Walfängerboote an Bord gebracht, da unser Dinghi ja beim Schiff lag und Angela und Ralf mich am Ufer nicht bemerkt hatten. Rainer fuhr mit der Fähre wieder nach Faial, von wo aus er am nächsten Tag nach Hause fliegen wollte.

In der darauffolgenden Nacht stand zum Abschluß des Sommerfestes („Cais Agosto 2000“) um 02 Uhr noch ein phantastisches Feuerwerk auf dem Programm, das Angela Ralf und ich gemeinsam genossen.

Montag nachmittag segelten wir dann bei gemütlichen 2 Windstärken mit der Angel im Schlepp (leider ohne Erfolg) ca. 7sm nach Velas auf Sao Jorge. Dienstag war dann baden und Schnorcheln angesagt. Ralf gelang es zum ersten Mal, in Ruhe und ohne Panik eine Zeitlang mit seinen neuen Tauchutensilien zu schnorcheln und den Anblick der bunten Fische zu genießen.

Auf einer Fahrt zum Einkaufen sprach uns noch ein Azoreaner aus Santa Maria an, ob wir eine Tauchmaske dabei hätten, da er gerne einen Tintenfisch fangen wollte, der sich direkt am Ufer in den Felsen versteckt hatte. Ich ruderte kurzentschlossen zurück um ihm ein Messer und meine Taucherbrille zu holen, mit deren Hilfe er den Oktopus auch tatsächlich nach „wildem Unterwasserkampf“ erlegte. Da er mit der Fähre in 5 min abfahren wollte fragte er uns, ob wir die Beute haben wollten, und so gab’s diesen Mittag Tintenfisch mit Brot und Tomatensalat.

Am 2. 8. mieteten wir uns einen Wagen, und machten eine sehr schöne Tour bis zum Ostende von Sao Jorge. Als wir wieder zurückkamen, hatte der Wind wieder auf SE gedreht und aufgefrischt, sodaß wir im Hafen von Velas recht ungemütlich lagen. Die Mooring, an der wir hingen gab im Lauf des Nachmittags etwa 3m nach, sodaß wir schließlich sehr nahe an einem hinter uns befestigten Fischkorb lagen. Um notfalls möglichst schnell das Weite suchen zu können, gab ich den Wagen dann schon am Abend wieder ab. Am 3. 8. legten wir gegen Mittag zunächst mit Ziel Terceira ab. Den Nachmittag wollten wir noch an einem in Jimmy Cornells Cruising Guide beschriebenen Tagesankerplatz bei Ponta Rosais verbringen. Dort angekommen ergab eine Untersuchung der Grundbeschaffenheit per Tauchermaske/Schnorchel, daß überall große Felsen lagen, sodaß ich mich nicht recht entschließen konnte dort den Haken fallen zu lassen. Überdies war der Wind mit ESE 4 eigentlich viel besser für eine Reise nach Flores geeignet, als nach Terceira.

Kurzentschlossen disponierten wir also um und nahmen Kurs auf die ca. 140 sm WNWlich gelegene Insel Flores. Nach mehreren Versuchen, unsere Kursänderung den Hafenbehörden von Velas per Vhf mitzuteilen, gelang es mir schließlich nördlich von Faial nur per Handy Kontakt mit Radio Naval Horta herzustellen, die mir versprachen, die Hafenbehörden von Velas über unseren Kurswechsel zu informieren. Soviel zum Thema Seefunk im Zeitalter der „Handymanie“. Alles in allem ist der umfangreiche Papierkram, der mit jedem Aus-/Einlaufen in portugiesischen Gewässern verbunden ist sehr lästig, aber was soll’s, dafür  sind die Inseln einfach herrlich und die Beamten sind immerhin überwiegend sehr höflich und ungemein hilfsbereit.

Nachdem die Bürokratie nun (hoffentlich) zufiedengestellt war, ging es weiter zu einer herrlich flotten Reise bei südöstlichen Winden zwischen 4 und 5 Bft. Zu Anfang hatten wir noch ein paar Stunden den Spinnaker gesetzt, den ich dann aber, nachdem der Wind auf mehr südliche Richtung gedreht hatte wieder durch die Genua ersetzte. Es war enfach herrlich, wie wir mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von 6-7 kn (Spitzenwerte knapp über 8!) dahinrauschten, wobei zeitweise große Delphinschulen vor unserem Bug spielten, was für auch für Ralf, der ansonsten leider wieder seekrank war ein tolles Erlebnis war.

Am Freitag, den 4.8.liefen wir dann um 1430Uhr nach 164sm in 27h im relativ gut ausgebauten Hafen von Lajes ein. Das Ankern verlief etwas umständlich, da sich der zunächst ausgesuchte Ankerplatz als ungünstig herausstellte. Nachdem der Anker gefallen war, wollte ich ihn per Tauchmaske inspizieren und stellte auf dem Weg dorthin, neben der Tatsache, daß es verdammt viele Quallen gab fest, daß unter Wasser auf ca. 4m Wassertiefe ein riesiger Felsen lag, unter dessen Überhängen man vorzüglich eine Ankerleine durchscheuern konnte, Nachdem wir gegessen und ich das Dinghi aufgebaut hatte verholten wir also nochmal so, daß wir schließlich vor Buganker und mit Achterleinen zur Pier lagen

Samstag war dann Wandertag: Wir fuhren mit dem Taxi nach Faja Grande an der Westküste der Insel und wanderten von dort aus entlang der Westküste insgesamt ca. 12 km bis nach Ponta Delgada an der Nordküste, von wo aus man die Nachbarinsel Corvo gut sehen kann. Die Beschreibung im Reiseführer hatte nicht übertrieben, es war tatsächlich ene wunderschöne Wanderung, wenn auch etwas anstrengend. Während des Anstiegs von Faja Grande gab’s immer wieder Bachläufe bzw. kleine Wasserläufe, an denen wir uns erfrischen konnten. Das klare Quellwasser schmeckte vorzüglich, sodaß wir vom mitgeführten Apfelsaft zunächst gar nichts verbrauchten. Besonders toll waren die Felsbecken des Ribeira de Moinho kurz vor Ponta Delgada, in denen wir uns herrlich erfrischen konnten.

In einer urigen Kneipe im Dorf gab’s Eis, Bier und Galãu und wir konnten der Wirtin verständlich machen, uns ein Taxi zu bestellen. Mit diesem gings dann entlang der ebenfalls wunderschönen Ostküste über Santa Cruz, wo wir noch etwas aßen zurück nach Lajes.

Der Sonntag verging dann recht geruhsam an Bord, bzw. beim Paddeln mit dem Dinghi und mit Baden am Strand, wobei sich herausstellte, daß das Baden wegen der vielen Quallen tatsächlich nicht empfehlenswert war: Angela verbrannte sich den Unterarm am Nesselfaden einer Qualle.

Montag lernten wir Rudi und Ines kennen, die uns spontan zu einem Inselausflug mit dem Auto einluden. Mit dem vollgepackten Auto (hinten 2 Frauen + 3 Kinder) fährt Rudi uns zu den schönsten Plätzen der Insel. Insbesondere die Kraterseen im Landesinneren sind sehr beeindruckend. Kilometerweit ziehen sich auch hier Hortensienhecken an den Strassen entlang. Darüber hinaus wachsen hier aber auch jede Menge Blumen einfach so an der Strasse, die bei uns zu Hause nur unter aufwändiger Pflege im Gewächshaus gedeihen.

Rudi und Ines waren 6 Jahre zuvor unter relativ dramatischen Umständen mit dem  eigenen Schiff von Amerika kommend auf Flores gelandet (Ines hochschwanger, Schiff nach Kollision mit Wal ruderlos) und waren dann so begeistert von der Insel und ihren Einwohnern daß sie beschlossen zu bleiben. Inzwischen haben sie zwei Söhne, von denen der eine (Marco) dieses Jahr nach Ende der 3-monatigen Ferien (!) zur Schule in Santa Cruz das Flores kommt.

Tatsächlich können die Kinder bis zum Abitur auf der Insel zur Schule gehen. Bis zur vierten Klasse gibt es sogar in fast jedem kleinen Dorf der Insel eine eigene Schule. Die Klassen bestehen maximal aus 8 Kindern.

Für den Folgetag (Dienstag den 8. 8.) hatten wir uns eigentlich zum Schwimmen/Relaxen zu einem Ausflug zu einer alten Wassermühle an der Ostküste verabredet, von der Rudi uns schon den ganzen Tag immer wieder vorgeschwärmt hatte. Daraus wurde leider wegen regnerischem Wetter nichts. sodaß wir den Tag an Bord bzw. in der näheren Umgebung des Hafens verbrachten. Ein Highlight dieses Tages war dann das abendliche Angeln. Nachdem Ralf und ich eine Weile beobachtet hatten, wie die Einheimischen einen Fisch nach dem anderen an der Mole aus dem Wasser zogen, schlossen wir uns an und angelten ebenfalls von der Mole aus auf die zeitweise zahlreich zu sehenden hochrückigen Fische. Zunächst fingen wir jedoch überhaupt nichts, lediglich unser Schwimmer (den Ralf von seinem Geld erst in Horta gekauft hatte) wurde von den offensichtlich gut bezahnten Fischen total zerbissen!

Schließlich entfernte ich den Schwimmer und wir angelten wie die Einheimischen nur mit Grundblei und Brotteig. Damit hatten auch wir recht schnell Glück, und bereits nach kurzer Zeit hatten wir drei prächtige Exemplare „Boca de Porco“ („Schweinefisch“) angelandet. Nun gings ans Ausnehmen, was sich als schwierig erwies, denn mit den Techniken, die ich von zu Hause für Süßwasserfische gelernt hatte kam man hier wegen der extrem festen Haut in Verbindung mit knochenähnlichen Gräten im Brustbereich kein Stück weiter. Nachdem die Einheimischen meine unbeholfenen Versuche ein Weilchen beobachtet hatten, wurden uns innerhalb kurzer Zeit von 3 verschiedenen Anglern 3 verschiedene Varianten des Zerlegens gezeigt.

Der dritte half uns mit unseren Fischen wirklich weiter und schenkte uns am Ende (wohl zum Üben) nochmal 4 Fische dazu sodaß wir noch einige Zeit beschäftigt waren. Wohlschmeckende Fischmahlzeiten für die nächsten Tage waren damit gesichert!

Mittwoch der 9.8. war wieder Wandertag. Unser Ziel war diesmal die Faja de Lopo Vaz, südwestlich von Lajes. Vorher machen wir noch einen Abstecher zum Haus von Rudi und Ines in Lajes, um dort eine Nachricht zu hinterlassen, da wir unbedingt noch die Mühle kennenlernen wollten, von der uns die beiden soviel vorgeschwärmt hatten. Die Wanderung ist zwar beschwerlich aber wunderschön. Unten „klauen“ wir uns ein paar Bananen, von denen laut Rudi wegen des beschwerlichen Abtransportes ohnehin  nicht alle abgeerntet werden.

Am 10. 8. klappt es dann schließlich doch noch mit unserem Ausflug zur Mühle an der Ostküste. Rudi kann leider nicht selbst mitkommen, da er zu viel zu tun hat. So klettern wir mit Ines und ihren beiden Kindern hinunter zu einem wirklich romantischen Plätzchen an der Mündung eines Flusses, an dem eine alte Mühle liegt, die Rudi und Ines im Auftrag eines deutschen Kunden wieder zum Wohnhaus aufbauen wollen. Direkt an der Mündung gibt es ein großes Felsbecken mit einem dort stationierten kleinen Kahn. Mit diesem können die Kinder hervorragend spielen und Ralf freundet sich bei diesen Tätigkeiten trotz der anfänglichen Sprachprobleme (die beiden mischen, ohne sich dessen ganz bewusst zu werden gern mal deutsch mit portugiesisch) doch noch mit Marco und Henni an.

Abends besuchen uns noch Monika und Martin, die mit ihrem Katamaran Maximo ebenfalls in Lajes ankern. Sie sind nach 5jähriger Weltumsegelung wieder auf dem Heimweg nach Deutschland. Dort erwartet sie eine noch ungewisse Zukunft, der sie mit sehr gemischten Gefühlen entgegensehen.

Zwischendurch wird vom Inselfrachter der Familie Augusto wie schon ein paarmal zuvor wieder ein helfendes Dinghi zum Festmachen der Heckleinen benötigt. Aus irgendwelchen Gründen ist das am ersten Tag unserer Anwesenheit noch vorhandene eigene Dinghi veschwunden. Also rudere ich hinüber und übernehme zunächst einen Mann mit den Heckleinen, um anschließend den Rest der Crew mit unserer „Banane“ (=Bananaboot) an Land zu bringen. Der Kapitän lädt uns zum Dank für unsere Hilfsbereitschaft zu einer Tagestour zur Insel Corvo am nächsten Tag ein. Obwohl wir ursprünglich für diesen Tag bereits die Überfahrt nach Graciosa geplant hatten, sagten wir nach kurzem Überlegen zu. Der Ausflug war auch tatsächlich wunderschön und lohnte mit Sicherheit die Verzögerung. Zunächst wurden wir früher als erwartet abgeholt, jedoch konnte uns unser Gastgeber aus Zeitgründen  nicht selbst zum Passagierboot nach Santa Cruz fahren. Also wurde kurzerhand mit Hupe und Lichthupe ein vorausfahrender Bekannter „aufgebracht“, dem wir nach kurzer Errläuterung als Fahrgäste nach Santa Cruz übergeben wurden. Um 10 Uhr ging’s dann los, und wir fuhren zunächst ganz dicht an der Küste von Flores durch atemberaubende Felsdurchfahrten, die teilweise gerade breit genug für das Schiff waren. Nach dieser wirklich beeindruckenden Sightseeing Einlage fuhr der Kapitän dann auf direktem Wege nach Vila Nova auf Corvo, einem malerischen  Ort mit ca: 400 Einwohnern. Wir sahen uns den Ort sowie einige in der Nähe stehende Windmühlen an und standen dann am frühen Nachmittag wieder am Hafenö, wo inzwischen auch der Frachter der Familie Augusto angekommen war. Da wir ohnehin nicht mehr viel hätten unternehmen können nahmen wir das Angebot die Rückfahrt eine Stunde früher mit dem Frachter anzutreten dankbar an, zumal dieser uns auch direkt bis Lajes bringen sollte. Auf dieser Fahrt wurde Ralf gleich als Rudergänger eingespannt und erfüllte diesen Job eine ganze Zeit lang sehr gut, obwohl das Steuerrad für ihn doch sehr schwer ging. Wieder angekommen konnten wir auch gleich wieder mit unserem Dinghi beim Festmachen des Frachters an der Mooring aushelfen. Alles in allem ein wirklich gelungener Abschiedstag.

Über die Überfahrt nach Graciosa gibt es nichts weiter zu berichten, außer, daß wir wieder Delphine, jedoch keine Wale zu sehen bekamen.

Wir kamen dann am Sonntag abend in Praia da Graciosa an, wo es zum Ankern ausnahmsweise mal richtig guten Sandgrund gab. Am Montag war tagsüber dann Ortserkundung und Strandleben in Praia angesagt. Abends fuhren wir per Anhalter nach Santa Cruz, um uns den dortigen Stierkampf anzusehen. Da wir alle so etwas noch nie in Natura gesehen hatten, war die Sache natürlich doppelt beeindruckend. Bei der portugiesischen Variante des Stierkampfes wird der Stier nicht getötet, sondern vielmehr nachdem er von berittenen Torreiros mit diversen Speeren müde gemacht wurde von einer Gruppe wagemutiger junger Kerle mit Muskelkraft eingefangen. Dieses Finale sieht dann so aus, daß sich die „Stierfänger“ in einer Formation so hintereinander aufstellen, daß der heranbrausende Stier durch die ganze Gruppe durch muss. Der vorderste läßt sich von dem wütend auf ihn zustürmenden Stier zwischen die Hörner nehmen. Während der Stier mit dem Anführer zwischen seinen Hörnern weiter durch die Gruppe stürmt versuchen sich immer mehr Männer dran zu hängen, sodaß das kraftvolle Tier, wenn alles klappt zum Schluß in einer Menschentraube von gut 8 Mann festgehalten wird. Leider klappt dieses Abfangen nicht immer beim ersten Mal, und manchmal bekommt besonders der erste schon verdammt harte Stöße ab. Einige dieser Draufgänger fallen denn auch während der Kämpfe mit mehr oder weniger schlimmen Blessuren aus, sodaß die wackere Gruppe bei den letzten Stieren bereits etwas kleiner geworden ist. Zum Schluß muss sogar einer von der Truppe auf einer Krankentrage die Arena verlassen.

Die restliche Zeit auf Graciosa vergeht wie im Fluge mit Dinghi-Segeln, Schwimmen, Schnorcheln, Wandern. Inzwischen hatte Ralf seine anfängliche Scheu vor der Schnorchelei ganz überwunden und machte das schon sehr gut. Als besonderes Highlight sehen wir am letzten Tag noch einen riesigen Rochen am Grund des Hafens, der so gemächlich dahingleitet, daß ich ihn eigentlich unter Wasser anfassen könnte. Jedoch traue ich mich dann angesichts der beeindruckenden Größe des Tieres doch nicht, dies zu tun.

Am Freitag den 18.8. starteten wir früh morgens zur Rückreise nach Horta, von wo aus Angela und Ralf  am Montag zurück nach Deutschland flogen.

2.   Rückreise bis Brest

Nachdem ich noch Proviant und Diesel nachgebunkert hatte, machte ich mich am 23. 8. nunmehr allein auf den Weg zum ca. 1200 sm entfernten Brest. In den ersten Tagen nach dem Start war die Stimmung nach der wunderschönen Zeit auf den Inseln doch etwas gedrückt, und die Meilen bis zum Ziel wurden nur quälend langsam weniger. Wie zu erwarten war, gab es zunächst nur schwache Winde oder Flauten, sodaß ich die Maschine recht intensiv zu Hilfe nahm, um überhaupt etwas vorwärts zu kommen. Außerdem war das Wetter recht regnerisch.

Am zweiten Tag auf See fing ich mir dann während einer der Flauten ein Stück Fischernetz mit der Schraube ein, das ich aber glücklicherweise bei einem Tauchgang recht schnell wieder heraus bekam, wobei mir der Schiffsboden jedoch ein paar mal, wenn auch sanft auf den Hinterkopf schlug. Der Zwischenfall, bei dem die Propellerwelle recht abrupt abgebremst worden war sollte jedoch später noch ein Nachspiel haben, denn einige Tage später, war aus der Maschine nach dem Auskuppeln nur noch ein rasselndes Geräusch zu hören und ein erneutes Einkuppeln war fortan nicht mehr möglich. Ich vermutete zunächst einen Getriebeschaden, jedenfalls würde die Maschine für’s Einlaufen in Brest nicht zu gebrauchen sein. Um zu vermeiden, daß die Schraube leer mitdreht, setzte ich sie von innen mit einem Tampen fest. Wenigstens hatte ich den Rest der Zeit einigermaßen Glück mit dem Wind: der wehte bis auf wenige kurze Flauten mit 5, 6 oder auch mal 7 Bft aus nordwestlichen Richtungen. Am Mittwoch den 30. 8. hatte ich die Hälfte der Strecke geschafft und am Samstag vormittag begann dann die Ansteuerung, in deren Verlauf wegen des dichten Schiffsverkehrs an Schlaf nicht zu denken war. Ich hatte mir eine n schönen Zeitplan augedacht, der mich mit auflaufender Tide durch das Fahrwasser nach Brest bringen sollte. Aber wie so oft kam es wieder mal ganz anders, denn gegen Abend begann der Wind, der mich die letzten Tage so flott vorangebracht hatte einzuschlafen. Also setzte ich den Spinnaker, der mich in der Nacht auch noch bis kurz vor die engste Stelle, die „Goulet de Brest brachte. Dort barg ich ihn, weil ich für die Enge mit wechselnden Winden rechnete, auf die ich mit Genua + Großsegel besser würde reagieren können. Aber kaum hatte ich die Enge erreicht, schlief der Wind vollends ein. Damit begann eine Stunde, in der ich wahrscheinlich das eine oder andere graue Haar dazubekommen habe. Die Sache lief so ab, daß ich wie ein Irrwisch an Deck herumrannte und alle Flautentricks, die ich so kenne anwandte, um mit 0,2-1,2 kn Eigenfahrt zu versuchen, die verschiedenen steil aus dem über 40 m tiefen Fahrwasser herausragenden Hindernisse auszumanövrieren. Man kann sich vorstellen, daß man sich da etwas machtlos vorkommt, wenn die Strömung mit ca. 4 kn durch die Enge setzt. Einige Male, sah ich mich schon auf Felsen, Tonnen oder Türme knallen, während ich quer zum Strom „segelnd“ bei umlaufenden Winden versuchte mich in der Mitte zu halten, oder wenn der Wind gerade mal über 1 kn Fahrt zuließ einen möglichen Ankerplatz zu erreichen. Die Genua mußte immer wieder herumgetragen werden, um wenigstens etwas Vortrieb zu bringen. Den Anker hatte ich zwichendurch zwar klar gemacht, aber ich war mir überhaupt nicht sicher, ob er rechtzeitig halten würde, denn im Fahrwasser ist es überall zu tief zum Ankern, und die Gefahrenstellen steigen sehr steil an.

Schließlich war ich dann durch das engste Stück durchgetrieben und ich konnte mich erstmal beruhigt zurücklehnen. Nachdem ich Driftrichtung un Geschwindigkeit in die Karte eingetragen hatte, wußte ich, daß der Grund in dieser Richtung nun langsam genug ansteigen würde, um einen sicheren Ankerplatz zu fassen zu kriegen. Außerdem kam nun auch wieder etwas Wind auf, mit dem ich sogar noch ein Stück weiter kreuzen konnte. Ganz bis vor die Hafeneinfahrt kam ich jedoch nicht mehr. Der Wind verließ mich ca. 2sm zu früh, aber hier konnte ich problemlos ankern und erst mal ausschlafen.

Gegen Mittag hieß es dann wieder Ankerauf und bei sehr leichtem achterlichem Wind arbeitete ich mich in 2 h die 2sm bis direkt vor die Marina. Dort nahm mich dann ein freundlicher Mitarbeiter, mit dem ich schon zuvor über Funk gesprochen hatte die restlichen Meter in Schlepp.

Kaum festgemacht ließ mir die Sache keine Ruhe und ich machte mich daran das Getriebe auszubauen. Nachdem ich das geschafft hatte stellte sich heraus, daß das Getriebe selbst Ok war, die Dämpferkupplung zur Schwungscheibe jedoch in alle Einzelteile zerfallen war. Nachdem ich auch diese ausgebaut hatte gab’s noch ein kühles Bier und anschließend eine ordentliche Mütze voll Schlaf.

Am Montag den 4. 9. hatte ich mit der Ersatzteilbeschaffung dann unwahrscheinliches Glück. Nachdem es zuerst so schien, als ob die Sache mindestens eine Woche dauern würde gab mir der Mechaniker dann eine passende Dämpferscheibe, die offensichtlich ursprünglich für einen anderen Kunden gedacht war, der aber wohl keine besondere Eile hatte.

Bereits am Montag abend hatte ich alles wieder eingebaut und war recht stolz auf mich, denn immerhin mußte man für die Aktion die Maschine hinten von den Aufhängungen nehmen und so einiges schrauben, bevor man an die Dämpferscheibe kam. Etwas skeptisch war ich allerdings schon, daß ich das Getirebe ziemlich unter Spannung wieder einsetzen mußte. Jedoch war ich der Meinung, alles genau nach Zeichnung wieder zusammengebaut zu haben und es schien auch alles sauber zu arbeiten, sodaß ich meine Bedenken beiseite schob (was sich später noch als schwerer Fehler herausstellen sollte).

Am Dienstag den 5.9. machte ich noch einige Routinearbeiten (Ölwechsel etc., bevor ich am Abend Norbert vom Bahnhof abholte, der mich für die Reststrecke begleiten sollte.

Wir blieben noch für Routinearbeiten bis Donnerstag in Brest und machten uns dann nachmittags auf den Weg „nach Hause“. Hierbei gelang es Norbert, den GPS Empfänger wieder zu reparieren, indem er ihn einmal aufmachte, und den EPROM mit der Software herausnahm und wieder einsteckte. Vermutlich hatte es da irgendwelche „Kontaktschwierigkeiten“ gegeben.

3.     Letzter Abschnitt: Rückreise bis Hooksiel

Die erste Etappe führte uns nach Guernsey, wobei alles wie am Schnürchen lief, bis der Wind ca. 5sm vor der Hafeneinfahrt nach St. Peter Port wieder mal einschlief. Also hieß es, die frisch reparierte Maschine einzusetzen, was auch recht gut funktionierte, bis wir unmittelbar vor der Hafeneinfahrt in ein Fischernetz gerieten (das hatte ich schon lange nicht mehr gehabt!). Dieses hatte in der Dunkelheit einfach zu spät erkannt. An sich wäre das auch nicht weiter schlimm gewesen, denn das Teil war nur um’s Ruder geschlungen und nach etwas Gebastel, u. a. mit dem Anker-Reitgewicht und ein wenig Hin- und Her mit dem Ruder waren wir wieder frei. Nun kamen wir jedoch nicht mehr recht in Fahrt und aus der Maschine war ein Rasseln zu vernehmen, das mir nur allzu bekannt vorkam. Zwar konnten wir uns noch in den Hafen schleppen, aber irgend etwas war offenbar schon wieder kaputt. Ich will hier nicht lange um die Sache herumschreiben: Es stellte sich heraus, daß die Dämpferscheibe sich wieder zerlegt hatte. Es hatte nichts mit dem Fischernetz zu tun gehabt, sondern ich hatte die Scheibe einfach vekehrt herum eingebaut! Zu meiner Ehrenrettung muss ich allerdings sagen, daß auch ein später befragter Mechaniker zunächst der Meinung war, daß die Scheibe richtig herum eingebaut war.

Nun ja, diesmal mußte das Teil bestellt werden, was jedoch per Expresslieferung nur einen Werktag dauerte. Die Schrauberei ging diesmal (zu zweit und mit Vorerfahrung) wesentlich schneller. Da wir jedoch am Wochenende eingelaufen waren, kostete uns das ganze doch einige Tage, die wir u. a. zu einer wunderschönen Radtour über die Insel nutzten.

Am Mittwoch den 13.9. ging’s dann schließlich wieder weiter, diesmal zunächst nur ein kurzes Stück zur Nachbarinsel Sark, die wir uns ansehen wollten. Wir ankerten an einem ausgesprochen idyllischen Plätzchen an der Westseite der Insel und genossen ein paar schöne Stunden, um am nächsten Tag weiter nach Alderney zu segeln.

Von dort segelten wir am 15.9. weiter mit Bestimmung Hooksiel, doch es sollte mal wieder etwas anders kommen: Nach einer ungemütlichen Nacht zum 16.9. mit Gewitterböen und heftigen Regenschauern standen wir am Vormittag des 16. 9. kurz vor der Straße von Dover und hier wehte der Wind aus Nordwest mit 7-8 Bft. Wir segelten also hoch am Wind. Da ich die kleine Kreuzfock gesetzt hatte, ging das alles eigentlich ganz gut, wenn es auch ein wenig ungemütlich war. Insbesondere Norbert, der zudem auch noch mit einer Erkältung zu kämpfen hatte war allerdings schon recht übermüdet, denn er kam bei dem ganzen Geschaukel kaum dazu richtig fest zu schlafen.

Die Wettervorhersage von Dover Coastguard verhieß für den späten Nachmittag des 16.9. Besserung, sodaß ich mich zunächst entschloß, an Boulogne vorbei zu segeln, mit der Option, falls es wirklich nötig sein sollte später in Calais Schutz zu suchen.

Irgendwann ging dann ein französischer Hubschrauber dicht über uns hinweg und eine knappe Stunde später bekamen wir Besuch von einem Patroullienboot der französischen Küstenwache. Das Boot fuhr sehr dicht an uns vorbei und rief uns dann über VHF an.

Erst wollten sie ganz genau wissen, wo wir her kamen und dann fragten sie, ob wir nach Boulogne einlaufen wollten (wir waren gerade ungefähr querab davon). Ich erzählte meine bisherige Reiseroute bis zurück zum Start in Wilhelmshaven und verneinte die Frage nach dem Einlaufen, mit der Bemerkung, daß ich vielleich später nach Calais gehen würde, wenn das Wetter sich nicht besserte. Daraufhin sagte er mir, daß es für meine Sicherheit besser sei nach Boulogne zu gehen. Das ging dann 3 oder 4 mal so hin und her, so nach dem Motto wollen Sie wirklich weiterfahren? Schließlich zog er noch eine Information aus dem Ärmel, die mich dann doch umstimmte: In Calais wären zur Zeit 45kn Wind (Bft9). Also drehte ich nach kurzer Orientierung in Karte und Seehandbuch wieder um und wir liefen außerplanmäßig bei inzwischen recht grober See nach Boulogne ein. Wie zur Bestätigung dieser Entscheidung hörten wir gleich nach dem Kurswechsel im Funk den Notruf einer anderen deutschen Segelyacht mit Ruderbruch. Der Skipper war so in Panik, daß er zunächst den ganzen Notruf auf Deutsch absetzte, womit die Helfer hier natürlich nichts anfangen konnten. Nach etwas Hin und Her kam aber dann doch eine Verständigung in Englisch zustande, sodaß wir nicht weiter unterstützen mußten. Wie wir später erfuhren konnte die Yacht zwar noch nach Calais eingeschleppt werden, sank jedoch noch im Hafen.

Mit dem „Saturday Night Fever“ ist es in Boulogne nicht sehr weit her, zumindest, wenn man auf die zu Fuß erreichbare Hafenumgebung beschränkt ist. Alle Bars schließen bereits vor Mitternacht, jedoch kann man im Spielcasino auch noch länger bleiben und dabei die Zocker an den Automaten und Spieltischen beobachten.

Nachdem wir am Sonntag vormittag noch die Windselbssteueranlage repariert hatten machten wir uns wieder auf den Weg Richtung Hooksiel. Das Wetter hatte sich soweit beruhigt, daß wir zu Anfang den Spinnaker einsetzen konnten. In der Nacht zum Montag briste es aber wieder auf 6-7 auf und bescherte uns einen am Wind Kurs, mit dem wir aber immerhin den Sollkurs noch anliegen konnten.Nachdem der Wetterbericht für die nächste Nacht auf Ost (d. h. gegenan) drehende Winde um 8 Bft angesagt hatte entschloß ich mich, Borkum als Schutzhafen anzulaufen. Leider war das nicht so einfach, denn die Winddrehung erfolgte ziemlich bald nach dieser Entscheidung und die Tide lief gegen uns. So wurde es ein ziemlicher Kampf, die 15 sm bis Borkum auf der Außenems zurückzulegen. Als wir gegen 18 Uhr noch ca. 10 sm von Borkum entfernt waren, briste es auf 7-8 auf und ich verbrachte ein paar nette Stunden damit kreuzenderweise gegen den Strom um jeden Meter Richtung Ziel zu kämpfen. Um etwas schwächeren Gegenstrom zu haben ging ich dabei teilweise so nah an die Riffe, wie mir bei dem rauhen Seegang vertretbar erschien. Ab 20 Uhr kamen wir jedoch praktisch nicht mehr vom Fleck: Das, was wir auf dem einen Bug gewannen, nahm uns der Strom auf dem anderen wieder ab. Um 2130 Uhr versuchten wir unser Glück mit der Maschine, erreichten damit jedoch maximal nur 3,5 Knoten, wobei wir oft auf 0,5 kn abgebremst wurden. Gegen 2330 war dann zwar der Strom mit uns, aber dadurch wurde der Seegang (Wind gegen Strom) nun so grob, daß wir mit Maschine allein kaum noch Fahrt im Schiff halten konnten. Also hieß es: Großsegel wieder hoch und unter Groß und Maschine kreuzen. Das letzte Stück ins Fahrwasser Fischerbalje mußten wir uns dann unter Maschine allein genau gegenan quälen, da mir das Kreuzen in der engen durch unbeleuchtete Tonnen und einen Leitdamm begrenzten Rinne bei Nacht und bei diesem Wetter nicht ratsam erschien. 1,5sm später und nach ein paar ziemlich harten und kalten Salzwasserduschen krochen wir dann gegen 0030 Uhr am Mittwoch wohlbehalten zwischen den Molenköpfen des Schutzhafens Borkum durch. Der Wind blies dafür daß wir im Hafen waren immer noch erstaunlich hart und ein reguläres längsseits anlegen bei ablandigem Wind erschien mir mit zwei Mann nicht praktikabel. Also machten wir erst mal einfach mit einer Bugleine fest und holten uns anschließend mit der Winde längsseits. Der Wind blies hier immer noch so hart, daß Norbert aufpassen musste, nicht von der Pier geblasen zu werden. Zufrieden, daß Maschine und Crew diese schwierige Passage überstanden hatten, gab’s noch ein Bier und dann die verdiente Mütze Schlaf. Einzige Wermutstropfen: Offensichtlich war die automatische Fettschmierung der Antriebswelle leer, denn diese quietschte mittlerweile hörbar. Außerdem war eine Lattentasche vom Großsegel angerissen.

Am Mittwoch warteten wir erstmal Wetterbesserung ab und gingen die aufgetretenen technischen Probleme an: Norbert verbrachte einige Stunden mit Segelnähen und ich organisierte eine improvisierte Lösung für das Schmierungs-Problem der Propellerwelle.

Am Donnerstag den 21.9. liefen wir dann nachmittags wieder aus und diesmal  schafften wir es tatsächlich ohne weiteren Zwischenstopp bis Hooksiel, wobei der letzte Tag nochmal richtig schönes Segeln bei herrlichem Wetter brachte.

Am Freitag um 17 Uhr passierten wir die Schleuse und besorgten uns vor der Fahrt zum Heimatliegeplatz noch eine große Portion Krabben, die wir abends zusammen mit den letzten an Bord vorhandenen Dosen Bier genossen.